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Lange Nacht der Kirchen 2013
Erster Erzähler:
Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ das
Augenmerk auf die franziskanische Heiligkeit gelegt, die in unserem
Gotteshaus repräsentiert ist. Hier war vor allem das Leben und Wirken des
Gründers der minoritischen Bewegung, des
hl. Franziskus von Assisi,
zu beleuchten, doch ebenso auch jenes des nicht weniger bedeutenden
Mitbruders Antonius von
Padua; schließlich gedachten wir des dritten offiziell von einem Papst,
und zwar von Johannes dem XXII., im Jahre 1317 heilig gesprochenen Minoriten,
nämlich des Königsohnes
Ludwig von Toulouse. Die entsprechenden Betrachtungen kann man jetzt auf
der Homepage der Wiener Minoritenkirche nachlesen. |
Meditationen: • Antonius von Padua (2009) • Giordano da Giano (2009) • Jacopone von Todi (2009) • Franziskus (2010) • Coelestin V. (2011) • Westportal (2011) • Ludwig von Toulouse (2012) • Heilige der Kongregation (2013) • Heilige Cäcilie (2014) • 790 Jahre Minoriten (2014) • 230 Jahre Maria Schnee (2014) • Klemens M. Hofbauer (2014) • Katharinenkapelle (2015) • 390 Jahre It. Kongregation (2015) • Frauen im Banne der Minoritenkirche (2016) • Eine Liebeserklärung in Stein (2016) • Franziskus v. Assisi (2018) L.N.K. in der Minoritenkirche
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Zweiter Erzähler: Tatsächlich ist die italienische Kongregation eine jesuitische Einrichtung. Im Jahre 1625 (Info) gründete Pater Guglielmo Lamormaini (Biographie) von der Gesellschaft Jesu, Professor an der Universität Wien und Beichtvater Kaiser Ferdinands II., im Jesuitenkloster am Hof jene Vereinigung, welche sich den Titel 'La Congregazione della Presentazione e di S. Rocco' gab, wobei die Benennung „Presentazione“ – also `Darstellung’ (früher sprach man von Mariä Tempelgang oder auch Mariä ‚Opferung’) auf die apokryphe Erzählung anspielt, dass die dreijährige Maria von ihren Eltern Joachim und Anna in den Tempel nach Jerusalem gebracht worden sei, um unter den Tempeljungfrauen erzogen zu werden. Die gegenwärtige Liturgie kennt noch im Zusammenhang mit dieser Tradition den Gedenktag, „Maria - Unsere liebe Frau in Jerusalem“, welcher am 21. November begangen wird.
Der zehnte Generalobere der Jesuiten, Goswin Nickel
(gest. 1664), berichtet, dass
Papst Gregor XIII. bestimmte, die Marienkongregationen unter dem Titel „Mariä
Verkündigung“ (Annuntiatio Domini) einzurichten, eine
Festlegung, welche Papst Sixtus V. dann auch auf die anderen
Ehrenbezeichnungen Mariens erweiterte. 1661, so berichtet Nickel weiter,
habe die italienische Vereinigung daraufhin die Erlaubnis erhalten, sich
nach der Immaculata conceptio, der ‚Unbefleckten Empfängnis’
umzubenennen. Doch auch bei dieser Bezeichnung sollte es nicht bleiben. 1755
wurde der Hochaltar in der den Italienern von den Jesuiten zur Verfügung
gestellten Kapelle mit einem um 1400 entstandenen Bild der Madonna
della Neve geschmückt, und erst damit stand der Name der Vereinigung
endgültig fest. |
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Erster Erzähler:
Neben dieser Hinwendung zur Gottesmutter war der italienischen Kongregation
von Anfang an auch die Verehrung des heiligen Rochus von großer
Wichtigkeit. Zwar ist dessen Lebensgeschichte zum allergrößten Teil
legendär, doch dieser Umstand tat der Beliebtheit jenes Heiligen, weder in
unserer italienischen Gemeinschaft noch in zahlreichen anderen
Kongregationen und Bruderschaften einen Abbruch. Seit dem 15./16. Jh. wird Rochus weithin als Pestpatron verehrt (Gedenktag 16. August) und sogar den 14 Nothelfern zugerechnet, obwohl es wahrscheinlich nie zu einer offiziellen Heiligsprechung gekommen ist. Auch seine Lebenszeit ist umstritten. Nach alter Tradition soll er von 1295-1327 gelebt haben, nach anderer wiederum von 1345-77 oder von 1350-1378/79. Als Ausgangspunkt seiner Verehrung gilt Venedig, wo am 27. Mai 1478 eine Confraternità di S. Rocco gegründet wurde; dort errichtete man zu Ende des Jahrhunderts die berühmte Rochuskirche und begann darauf mit dem Bau der „Scuola Grande di San Rocco“. Zweiter Erzähler: Bei den vielen Seuchen, die Europa zur damaligen Zeit heimsuchten, ist es nicht erstaunlich, dass die Verehrung des hl. Rochus in der Christenheit eine außerordentliche Bedeutung erlangte. Es waren vor allem die religiösen Kongregationen sowie die Kaufleute, welche diesen zu ihrem Schutzpatron ernannten, so dass man einmal sogar die Hinwendung zu diesem Heiligen als den Kult der Laien bezeichnete.
Die italienische Kongregation in Wien änderte bei ihrer
Benennung zwar mehrmals den marianischen Bezug (Mariä Tempelgang;
Unbefleckte Empfängnis Mariens; Maria Schnee), die Erwähnung Roccos blieb
davon aber immer unberührt. Auch sonst war dieser Heilige in Wien kein
Unbekannter. In der 1642 gegründeten und zu Ehren des hl. Sebastian
geweihten Kirche auf der Landstraße (Link)
zog 1679 eine Pestbruderschaft ein, die unter dem Schutz des Rochus von
Montpellier stand, weshalb das Gotteshaus in Zukunft die Namen beider
Patrone führte; um 1660 erbaute man in der Penzinger Straße unter dem
damaligen Pfarrer Gregor Einwang eine Rochuskapelle (Video/Link) und im
Jahre 1713 stiftete der italienische Kaufmann Marco Abundio zum Dank für die
Abwendung der Pest in Neustift am Walde (Link)
eine Kapelle zu Ehren dieses Heiligen. |
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Erster Erzähler: Doch noch ein weiterer Heiliger war für die Congregazione Italiana von allergrößter Bedeutung, nämlich der Märtyrer Julius von Rom. Der Legende zufolge erlitt dieser im Alter von nur 10 Jahren im 2. oder 3. Jh. während einer Christenverfolgung einen gewaltsamen Tod. Seine Reliquien kamen im 18. Jh. als päpstliches Geschenk an den Kaiserhof in Wien. Sie waren zunächst in der kaiserlichen Schatzkammer aufbewahrt, doch im Jahre 1746 wurden sie dem Jesuitenpater Antonio Citto übergeben, der damals „Preside“, also Direktor, der italienischen Kongregation war, damit sie in der Kirche dieses Ordens am Hof von den Gläubigen verehrt werden könnten. Pater Citto vertraute die Reliquien der italienischen Kongregation an, und sehr bald darauf wurde in der jesuitischen Cappella Italiana für den römischen Märtyrer auch ein Altar errichtet; ab 1747 feierte man hier regelmäßig den Gedenktag des Heiligen, der auf den 28. Dezember fällt. Nach der vorübergehenden Auflösung der Societas Jesu 1773 verfügte ein kaiserliches Dekret vom 26. März 1774, dass die Reliquien den Italienern entzogen und den Barnabiten der Hofpfarrkirche von St. Michael (Link) anvertraut werden sollten. Begründet wurde die Entschließung damit, dass die Kaiserin Maria Theresia die Gebeine des Märtyrers dem Pater Citto und nicht der Nazione geschenkt habe. Nur sehr schwer trennte sich die Congregazione von den Reliquien des hl. Julius, die am 14. April in die Michaelerkirche gebracht wurden, wo sie noch heute rechts an der Schlusswand des Querhauses aufbewahrt sind; den Altar durfte die italienische Gemeinschaft allerdings behalten. Welche Bedeutung die Julius-Verehrung für die Vereinigung hatte, lässt sich aus dem Umstand ersehen, dass Antonio Salieri, der ja Mitglied der Kongregation war, 1776 zwei Motetten zu Ehren des Heiligen komponierte.
MUSIK: |
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Zweiter Erzähler:
Dafür wuchs der Nazione jedoch ein weiterer Heiliger zu. Die
Prinzessin Maria Leopoldina Kaunitz, Gemahlin des Ernst Christoph Graf von
Kaunitz, der als österreichischer Botschafter beim Vatikan tätig war,
erhielt von Papst Clemens XIV. (1769-74) Reliquien eines hl. Märtyrers
Clemens, die vorerst vom apostolischen Nuntius Kardinal Visconti den
Augustinern übergeben, schließlich jedoch – wie von Maria Leopoldina Kaunitz
gewünscht – an die Congregazione weitergereicht wurden. Genaueres
lässt sich über die Herkunft dieser als heilig verehrten Andenken bislang
nicht sagen, auch nicht, ob hier auf den bedeutenden römischen Bischof und
Schriftsteller Clemens, der um 97 n. Chr. starb, oder vielleicht auf Titus
Flavius Clemens, einem nahen Verwandten Kaiser Domitians, der im Jahre 95
offensichtlich als christlicher Märtyrer einen gewaltsamen Tod erlitt, Bezug
genommen wird. |
Rom, San Clemente Bild: Sixtus cc-by-sa 3.0 migrated |
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Zweiter Erzähler: Doch welche Altäre befanden sich in dieser nunmehr zweiten Cappella Italiana? Wie zu erwarten, war der Hochaltar auf das Patrozinium der Kirche ausgerichtet, doch gab es in der Kapelle auch Seitenaltäre, die den Heiligen Julius, Rochus, Clemens und Joseph geweiht waren. Obwohl also die Reliquien des erstgenannten römischen Märtyrers im April 1774 den Barnabiten übergeben werden mussten, lebte dessen Verehrung bei den Kongregaten unvermindert weiter. Im Archiv der Congregazione findet sich sowohl die Einladung des Jahres 1782, an der „feierlichen Andacht zu Ehren des hl. Julius“ teilzunehmen wie auch die Verlautbarung der Möglichkeit, anlässlich des Festes dieses Märtyrers, einen vollkommenen Ablass zu erwerben. Für die Hochachtung der Heiligen in der italienischen Vereinigung besitzen wir aber noch weitere Zeugnisse. So wurden im Jahre 1782 für das Gotteshaus zwei neue Glocken gespendet, eine von ihnen weihte man der Madonna della Neve und die zweite trug den Namen des hl. Rochus; und auch zu den Festen der anderen Patrone der Gemeinschaft konnte man vollkommene Ablässe erwerben.
Erster Erzähler:
Die Periode der zweiten Cappella Italiana war aber nur von kurzer
Dauer. Sie endete mit dem schon erwähnten Befehl Josephs II. an die
Minoriten, in Kirche und Kloster des aufgehobenen Trinitarierordens in der
Alser-Vorstadt zu übersiedeln sowie mit der Schenkung der leer gewordenen
Minoritenkirche an die Nazione Italiana, festgeschrieben
in dem kaiserlichen Dekret von
1784, und der damit verbundenen Beschlagnahmung des bisherigen
Versammlungsraumes der Kongregaten. In all der nun einsetzenden Hektik der
umfassenden und äußerst kostspieligen
Restaurierungsarbeiten
an der großen Kirche, vergaßen die Kongregaten nicht auf „ihre Heiligen“.
Nichts kann diesen Umstand deutlicher veranschaulichen als die
Rede des damaligen
Universitätsprofessors Ignaz Wurz anlässlich der feierlichen
Einweihung des großen Gotteshauses zu Ehren der Madonna della Neve am
16. April, dem Ostersonntag des Jahres 1786, die nun in Ausschnitten und
übertragen in ein modernes Deutsch erneut anklingen soll. |
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REZITATION
(B):
Sehr verehrte Mitglieder der italienischen Kongregation! Erwartet
nicht von mir, dass ich – weil mir die Ehre zufällt, in eurem Gotteshaus als
Erster in deutscher Sprache zu reden – dieses über alle anderen Kirchen
Wiens stellen werde. Damit würde ich nicht ehrliche Freude, sondern nur
Eitelkeit hervorrufen. Als Jesus Christus in unsere Kirchen eingekehrt ist,
hat er sie alle gleich gemacht. Der Unterschied zwischen ihnen ist nur
äußerlich und tausend Veränderungen unterworfen. Doch muss es euch als Trost
dienen, dass die Herrlichkeit eurer Kirche groß ist und groß sein wird.
Deshalb müsst ihr Gott sehr danken, dass ihr – trotz vieler Veränderungen
und vieler Gefahren alles zu verlieren, trotz so vieler Hindernisse und
Widersprüche, die ihr erfahren musstet - in die Lage versetzt wurdet, euer
gottgefälliges Unternehmen zu Ende zu bringen. Was mich veranlasst dieses zu
behaupten, sind zwei Dinge, nämlich der Schutz, den Gott seinem neuen Hause
zugesichert hat und die beeindruckenden Beispiele, die ihr bereits gegeben
habt und die Gott auch weiterhin von euch erwartet. MUSIK: |
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Zweiter Erzähler:
Wie sieht es nun heute mit den Heiligen der italienischen Kongregation in
der Minoritenkirche „Maria Schnee“ aus? Da ist natürlich in erster Linie das
1785 entstandene Hochaltarbild
des Trientiner Malers Ignazio Unterberger zu erwähnen, in dessen
Zentrum sich das Bildnis der „Madonna della Neve“ befindet, von
Engeln über die Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore hinaus himmelwärts
getragen und den Gläubigen - umhüllt mit breiter purpurner Bordüre - zur
Verehrung vor Augen gestellt.
Erster Erzähler:
In der Antoniuskapelle
befindet sich übrigens auch eine Statue des heiligen Joseph, möglicherweise ein Teil des ursprünglichen Josephaltars der
zweiten Cappella Italiana. |
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Zweiter Erzähler: Wie erklärt sich die Verknüpfung von Rochus und Sebastian, welche uns bereits im Zusammenhang mit der Rochuskirche auf der Wiener Landstraße begegnet ist und die man z.B. auch im Hauptchor der Wiener Michaelerkirche in Gestalt zweier einander zugewandter Statuen des 18. Jhs., aber auch in anderen Gotteshäusern, immer wieder antrifft? Die weithin bekannte Legende vom Martyrium Sebastians erzählt von dessen versuchter Hinrichtung unter Kaiser Diokletian durch numidische Bogenschützen, und - da er von den Pfeilen nicht getötet werden konnte - von seiner schlussendlichen Ermordung auf dem Palatin durch Peitschenhiebe. Die Wissenschaft vermutet heute, man habe hier verschiedene Märtyrergeschichten zu einer Handlung zusammengefasst. Wichtig ist für uns, dass seit dem Mittelalter an verschiedenen Orten sogenannte „Sebastianpfeile“ verehrt und als wirksamer Schutz gegen „anfliegende Krankheiten“ – wie etwa die Pest – angesehen wurden. So bedeutend die Sebastianverehrung zu allen Zeiten auch war, als Pestheiliger erreichte er nicht die gleiche Popularität wie Rochus, denn im Gegensatz zu diesem war jener gemäß der Legende nicht selbst von der Seuche betroffen und hat auch niemanden von der Pest geheilt. Das tat jedoch der Wichtigkeit Sebastians als Schutzheiligen gegen epidemische Krankheiten bis zur Gegenwart keinen Abbruch; so kommt es, dass er - dem unheilbringende Pfeile letztlich nichts anhaben konnten - heute zum Patron gegen Aids geworden ist. Erster Erzähler: Aber auch Karl Borromäus lebt als Pestheiliger weiter. Carlo Borromeo erblickte als Sohn des Grafen Gilberto II. von Arona und Margareta von Medici am 2. Oktober 1538 auf der Burg von Arona am Lago Maggiore das Licht der Welt. Er wurde von seiner Familie schon als Kind zum Kleriker bestimmt. Dazu bemerkt seine Biographin, Hedwig Bach, dass dieser Wunsch seiner Eltern „tatsächlich seinen Neigungen und Anlagen entgegenkam, mehr noch – seiner Berufung entsprach“. Der Neffe des Giovanni Angelo de’ Medici und späteren Papstes Pius IV. (1559-1565) wurde nach seinem Jusstudium in Pavia päpstlicher Staatssekretär, sodann Kardinal–Diakon und Administrator des Bistums Mailand, welches er nach seiner Priesterweihe im Jahre 1563 schließlich 1565 als Erzbischof und Kardinal übernahm. Er gilt heute als der tragende Geist der Gegenreformation, der durch seinen Einsatz dazu beitrug, das Konzil von Trient 1563 zu einem glücklich Abschluss zu bringen. Seine Hinwendung zu den Armen und sein vorbildlicher Lebenswandel beeindruckten die Menschen schon in seiner vatikanischen Zeit, und veranlassten sie mehr und mehr, sich mit ihren Problemen und Anliegen an ihn zu wenden. Zweiter Erzähler: Doch in unserem Zusammenhang steht nicht so sehr der Kleriker und Theologe Karl Borromäus im Vordergrund, sondern der Pestpatron während des furchtbaren Wütens der Seuche 1576-77 in Mailand. Als hier im Sommer 1576 die ersten Erkrankungen auftraten, verließen alle, die es sich leisten konnten, die Stadt. Doch viele Bewohner Mailands hatten diese Möglichkeit nicht und waren so der Pest ausgeliefert. Ihnen galt die materielle und geistliche Fürsorge des Erzbischofs. Er besuchte die Kranken im öffentlichen Lazarett „San Gregorio“ und in den Notspitälern, übernahm ihre seelsorgliche Betreuung, setzte sich aber auch für Unterkunft, Medikamente, Lebensmittel und Bekleidung der Pestkranken ein. Anlässlich einer Prozession forderte Karl die Gläubigen auf, sich dem Pestpatron Sebastian anzuempfehlen, dessen Mutter aus Mailand stammte. Am 7. September 1577 legte Karl Borromäus dann den Grundstein für die faktisch neuerbaute Kirche S. Sebastiano. Nur wenige Jahre danach, 1584, im Alter von 46 Jahren, erlag der Mailänder Erzbischof einem Fieberanfall, 1610 wurde er von Papst Paul V. heiliggesprochen.
Erster Erzähler:
Der spätere Arzt und Seuchenbekämpfer in Tirol Hippolit Guarinoni,
der 1612 ein Buch mit dem Titel Arznei wider die Pest publizierte,
widmete dieses Karl Borromäus und setzte auf das Titelblatt das Bild des
Mailänder Erzbischofs, den er nun selbst „Pestpatron“ nannte. |
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Zweiter Erzähler: Ein Rundgang durch die Wiener Minoritenkirche erweist also an Hand der hier zur Verehrung dargestellten Heiligen sehr augenscheinlich die eingangs erwähnte zweifache Geschichtsverwurzelung dieses Gotteshauses. Die Heiligen Franziskus, Antonius von Padua und Ludwig von Toulouse bezeugen die ursprüngliche minoritische Präsenz in der Kirche, während die „Madonna della Neve“ und vor allem die Pestpatrone durch die „Congregazione italiana“ eingebracht wurden. Jene religiösen Verankerungen stehen jedoch in keinem Widerspruch zueinander; ganz im Gegenteil: Bereits in der ersten Cappella Italiana in der Bognergasse hatten franziskanische Heilige ihren Platz; und die Tatsache, dass den Minoriten seit dem Jahre 1953 die seelsorgliche Betreuung der italienischen Gemeinde übertragen ist, fand durch die 2003 angefertigte Franziskusstatue Nazzereno Panieris, welche heute an der Nordseite der Kirche steht, ihren künstlerischen Niederschlag.
Erster Erzähler:
Dieser in unserer Kirche manifestierten Synthese wollen wir abschließend
durch die Betrachtung zweier bewegender religiöser Texte Rechnung tragen,
nämlich durch den ‚Lobpreis Gottes’, den der hl. Franziskus von
Assisi einst seinem Mitbruder Leo anvertraut hat, sowie mit dem Ausschnitt
einer Predigt, die Karl Borromäus anlässlich der
Gründonnerstagsfeier des Jahres 1567 in Mailand hielt. |
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REZITATOR A: Lobpreis Gottes des Franziskus von Assisi Du bist der heilige Herr, der alleinige Gott, der du Wunderwerke vollbringst. Du bist der Starke. Du bist der Große. Du bist der Erhabenste. Du bist der allmächtige König, du heiliger Vater, König des Himmels und der Erde. Du bist der dreifaltige und eine Herr, der Gott aller Götter. Du bist das Gute, jegliches Gut, das höchste Gut, der Herr, der lebendige und wahre Gott. Du bist die Liebe. Du bist die Weisheit. Du bist die Demut. Du bist die Geduld. Du bist die Schönheit. Du bist die Milde. Du bist die Sicherheit. Du bist die Ruhe. Du bist die Freude. Du bist unsere Hoffnung und Fröhlichkeit. Du bist die Gerechtigkeit. Du bist das Maßhalten. Du bist all unser Reichtum zur Genüge. Du bist die Anmut. Du bist die Barmherzigkeit. Du bist der Beschützer. Du bist unser Wächter und Verteidiger. Du bist die Stärke. Du bist die Erquickung. Du bist unsere Hoffnung. Du bist unser Glaube. Du bist unsere ganze Wonne.
Du bist unser ewiges
Leben: Großer und wunderbarer Herr, allmächtiger Gott, barmherziger Retter.
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REZITATOR B: Aus der Predigt des Karl Borromäus Hier nun, geliebte Brüder, müssen wir die bewundernswerte Demut unseres Erlösers nicht nur aufmerksam betrachten, sondern auch mit größtem Eifer nachahmen. Es gibt drei Stufen von Demut, von denen die erste Stufe ausreichend ist, die zweite überströmend, auf der dritten Stufe aber alle Gerechtigkeit erfüllt wird. Auf der ersten Stufe befinden sich die, die ihren Oberen gern gehorchen, auf der zweiten die, die sich auch den Gleichgestellten gerne unterwerfen. Zur dritten Stufe sind die zu zählen, die es nicht für unter ihrer Würde halten, auch ihren Unterstellten zu dienen. In all diesen drei Stufen hat sich Christus unser Herr eindeutig als der Demütigste und Gehorsamste erwiesen. Er war dem über ihm stehenden Vater, wenn du seine Menschheit ins Auge fasst, unterworfen. Er gehorchte so sehr und unterwarf sich ihm so, dass er, wie er bezeugte, nichts anderes tat, als den Willen seines Vaters. Wie sehr er sich aber durch Demut und Gehorsam gegenüber den weit unter ihm stehenden Menschen auszeichnete, steht fest, sowohl durch sein eigenes Zeugnis als auch durch die Beschreibung der Evangelisten: „Denn“, so sagt Er, „ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mt 20,28). Alles im Geheimnis der Menschwerdung Christi lehrt die äußerste Demut und offenbart unendliche Liebe.
Die
in diesem kurzen Homilie-Abschnitt zum Ausdruck gebrachten Gedanken finden
eine sehr harmonische Abrundung im Gebet der Kirche zum Gedenktag des hl.
Karl Borromäus am 4. November: Herr und Gott, erhalte in deiner Kirche den Geist, von dem der heilige Karl Borromäus erfüllt war, und gib ihr die Bereitschaft, sich ständig zu erneuern. Gestalte sie nach dem Bild deines Sohnes Jesus Christus, damit die Welt ihn erkennen kann, der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit
dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MUSIK:
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