Erfurt, Barfüßerkirche von 1285,
Ruine im Nachkriegszustand von 1953.
Jordan von Giano war hier Gast.
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-19902-0005 cc-by-sa 3.0


Erfurter Barfüßerkirche vor 1944
Bild: Wikswat, cc-by-sa 3.0

Lange Nacht der Kirchen 2009
in der Minoritenkirche



Jordan von Giano - Meditation
für die "Lange Nacht der Kirchen" am 05. Juni 2009

verfaßt von Dr. Manfred Zips

 

Die Bedeutung Jordans von Giano, dessen hier nun gedacht werden soll, besteht darin, dass er den ersten umfassenden Bericht von der Missionierung Deutschlands durch die Franziskaner verfasst hat.

Dieser Chronist, dem wir eine wichtige Kenntnis des frühen franziskanischen Ordenslebens verdanken, stammte aus dem kleinen umbrischen Ort Giano im Spoletotal, nicht weit von Assisi entfernt. Obwohl über Jordans Familie und über sein Leben vor dem Ordenseintritt faktisch nichts bekannt ist, lässt sich auf Grund seiner eigenen Angaben das Geburtsjahr des Minoriten mit etwa 1195 festlegen.

Wenn man ihn – im Gegensatz zu Antonius – auch nicht als Gelehrten bezeichnen kann, so war er sicherlich doch ein gebildeter Mann. In den Orden ist er wahrscheinlich 1217/18 eingetreten. Da er in seinem Geschichtswerk ziemlich ausführlich und in durchaus heiterer Weise über das zuerst erwähnte ‚Mattenkapitel’ von Assisi des Jahres 1221 berichtet, auf dem auch der Beschluss gefasst wurde, neuerlich Brüder nach Deutschland zu entsenden, wollen wir ihn hier in Kürze zu Wort kommen lassen. Doch zuerst sollen noch einige Stationen seiner Lebensgeschichte umrissen werden:

Am 18. März 1223 bestimmte ihn der Minister der Provinz Germania, Cäsarius von Speyer, zum Priestertum, und seine Weihe wird wohl bald darnach stattgefunden haben. Im gleichen Jahr wurde Jordan in Speyer Guardian, 1224 ist er als Inhaber dieses Amtes in Mainz bezeugt. Bald darauf beauftragte ihn der neue Provinzial Albert von Pisa mit der Ansiedlung des Ordens in Thüringen. Tatsächlich wurden noch im gleichen Jahr Ordensniederlassungen in Eisenach, Gotha, Nordhausen, Gera und Mühlhausen errichtet. Wahrscheinlich blieb Jordan bis zum Jahre 1239 Kustos von Thüringen; darnach dürfte er die Funktion des Provinzvikars der neuen böhmisch-polnischen Provinz bekleidet haben.

Im Jahre 1242 nahm er am Provinzkapitel in seiner Stammprovinz Saxonia teil. Bei dieser Gelegenheit wurde Jordan vom Generalminister Haymo von Faversham zum Provinzvikar der Saxonia ernannt. Für die Zeit darnach ist der ‚Chronica’ Jordans nur noch ein einziges, ihn betreffendes Lebensdatum zu entnehmen: Im Vorwort zu seiner Geschichtsdarstellung berichtet der Autor, dass er anlässlich des Kapitels in Halberstadt, 1262, von der Bruderschaft den Auftrag erhielt, seine Lebenserinnerungen festzuhalten. Wie lange er – zusammen mit seinem Confrater Balduin von Brandenburg – an der Schrift gearbeitet hat, kann nicht genau gesagt werden.
Wahrscheinlich wurde Jordan etwa 75-80 Jahre alt.  Sein Grab fand der Mönch in Magdeburg.

Obwohl also die Schrift Jordans den Zeitraum von 1207-1262 umfasst, ist seine Geschichtsdarstellung ein Alterswerk.

Hören wir jetzt Jordans Bericht von seiner Anwerbung für die Missionsreise nach Deutschland anlässlich des „Mattenkapitels“ von Assisi im Jahre 1221.

 

Chronik des Bruders Jordan von Giano §§ 16-18:

16. Im Jahre des Herrn 1221, am 23. Mai, hielt der selige Franziskus bei Sancta Maria von Portiunkula das Generalkapitel ab. Zu diesem Kapitel kamen nach dem damals geltenden Ordensbrauch die Professbrüder wie auch die Novizen zusammen. Man schätzte die Zahl jener, die sich damals versammelten, auf 3000 Brüder. Bei diesem Kapitel war der Herr Kardinaldiakon Rainerius mit mehreren Bischöfen und anderen Ordensleuten anwesend. Ein Bischof feierte auf seine Weisung hin die Messe, und der selige Franziskus hat dabei das Evangelium vorgelesen und ein anderer Bruder die Epistel. Da die Brüder aber keine feste Unterkunft für so viele hatten, wohnten sie auf einem geräumigen, abgezäunten Felde unter Schattendächern, schliefen auch dort und aßen an 23 Tischen, die in geräumigem Abstand geordnet aufgestellt worden waren. Bei diesem Kapitel sorgten die Leute aus der Umgebung für Brot und Wein und brachten dies in größter Zuvorkommenheit überreichlich herbei. Denn sie freuten sich über die Versammlung so vieler Brüder und über die Heimkehr des seligen Franziskus. Der selige Franziskus hielt auf diesem Kapitel den Brüdern eine Predigt über das Thema: „Gepriesen sei der Herr mein Gott, der meine Hände zum Kampfe unterweist“, lehrte sie die Tugenden und mahnte sie zur Geduld und zu einem beispielhaften Leben vor der Welt. In ähnlicher Weise wurde auch eine Ansprache an das Volk gehalten.

Wer aber vermag zu schildern, welch große Liebe, Geduld, Demut, Gehorsamsgesinnung und brüderliche Fröhlichkeit damals unter den Brüdern herrschte! Denn solch ein Kapitel – sowohl was die große Zahl der Teilnehmer als auch was die Festtagsstimmung der Leute betrifft – habe ich früher im Orden nicht erlebt. Und wenn auch die Schar der Brüder so groß war, so versorgte das Volk sie dennoch derart freudig mit allem, dass die Anwesenden gezwungen waren, zwei Tage länger zu bleiben, um die angenommenen Gaben zu verzehren.

17. Am Schluss dieses Kapitels aber fiel es dem seligen Franziskus ein, dass der Orden noch nicht in Deutschland Fuß gefasst hatte. Und weil der selige Franziskus damals krank war, so verkündete Bruder Elias alles, was jener dem Kapitel zu sagen hatte. Der selige Franziskus saß zu Füssen des Bruders Elias und zupfte ihn am Habit; dieser beugte sich zu ihm herunter und erkundigte sich nach seinem Wunsch. Dann richtete er sich wieder auf und sagte: „Brüder, also spricht der Bruder“, womit er den seligen Franziskus bezeichnete, der von den Brüdern, gleichsam mit besonderem Vorzug  d e r  Bruder genannte wurde -: „Es gibt eine Gegend – Deutschland -, wo fromme Christenmenschen leben, die, wie ihr wisst, unser Land mit langen Wanderstäben und dicken Kerzen schweißbedeckt in heißer Sonnenglut durchwandern, dabei Gott und seinen Heiligen Loblieder singen und hoffnungsvoll die Stätten der Heiligen aufsuchen. Aber weil die wiederholt zu ihnen gesandten Brüder zurückgekehrt sind, da sie misshandelt wurden, zwingt der Bruder keinen, zu ihnen zu gehen. Wer aber, vom Eifer für Gott und die Seelen begeistert, gehen will, dem wird er einen noch reichlicheren Segen spenden, als er denen erteilt, die übers Meer reisen. Und sollten welche willens sein zu gehen, so mögen sie aufstehen und auf die Seite treten.“ Darauf erhoben sich, entflammt vom Verlangen nach dem Martyrium, etwa neunzig Brüder, traten todesmutig beiseite, wie sie geheißen worden waren, und warteten auf die Entscheidung, welche, wie viele, wie und wann sie aufbrechen sollten.

18. Es war aber damals auf dem Kapitel ein Bruder dabei, der pflegte in seinen Gebeten den Herrn anzuflehen, sein Glaube möge nicht durch die Häretiker aus der Lombardei zersetzt werden oder durch die Wildheit der Deutschen ins Wanken geraten; vor beiden Gefahren möge der Herr ihn gnädig bewahren. Nun sah er die vielen Brüder aufstehen, die nach Deutschland zu ziehen bereit waren, und er war der Ansicht, sie würden sogleich von den Deutschen gemartert werden. Da er aber betrübt war, dass er die nach Spanien geschickten und gemarterten Brüder nicht persönlich kennengelernt hatte, und deshalb verhüten wollte, dass es ihm bei diesen wieder geschehe wie bei jenen, so erhob er sich, ging zu ihnen hin und lief von einem zum andern um sie zu fragen: „Wer bist du, und woher bist du?“ Er dachte nämlich, es sei eine große Ehre, im Falle dass sie Märtyrer würden, sagen zu können: „Den habe ich gekannt, und jenen habe ich auch gekannt.“ Nun befand sich unter ihnen ein Bruder, der Diakon war und Palmerius hieß, später wurde er Guardian in Magdeburg. Er war ein fröhlicher und aufgeräumter Mann, der aus der Gegend des Gargano-Berges in Apulien stammte. Als der neugierige Bruder auch zu ihm kam und ihn nach seinem Namen fragte, antwortete er: „Ich heiße Palmerius“. Darauf ergriff ihn dieser und fügte hinzu: „Du selbst gehörst auch zu uns und wirst mit uns gehen!“ Er wollte ihn also zu den Deutschen mitnehmen, ihn der doch schon öfter den Herrn darum gebeten hatte, er könne ihn schicken, wohin er wolle, nur nicht gerade zu ihnen. Und er, der schon vor dem Namen der Deutschen Grauen empfand, antwortete: „Ich gehöre gar nicht zu euch, sondern ich kam bloß zu euch, weil ich euch kennenlernen wollte.“ Doch dieser gewann in seiner Fröhlichkeit Macht über ihn, hielt ihn fest, zog den sich Sträubenden zu sich auf den Boden und zwang ihn so, sich neben ihn zu setzen. Während die neunzig Brüder auf einen weiteren Bescheid warteten, wurde ihnen als Minister für Deutschland Bruder Cäsar gegeben, ein Deutscher, der aus Speyer stammte. Er bekam die Vollmacht, aus diesen neunzig eine Auswahl zu treffen. Als er nun jenen neugierigen Bruder inmitten seiner Gefährten antraf, wurde er von ihnen gedrängt, auch diesen mitzunehmen. Aber weil der Bruder nicht gern zu den Deutschen gehen wollte und immerfort beteuerte: „Ich gehöre nicht zu euch, denn ich bin nicht darum aufgestanden um mitzugehen“, wurde er zu Bruder Elias geführt. Dieser schlichtete den Streit zwischen jenen, welche den Bruder in Italien behalten wollten – er sei doch schwächlich und für ein so kaltes Land nicht geeignet – und jenen um Bruder Cäsar, die ihn unbedingt mitzunehmen beabsichtigten, auf folgende Weise. Er sagte: „Ich befehle dir Bruder, im heiligen Gehorsam, dir endgültig zu überlegen, ob du gehen oder zurücktreten willst.“ Er aber, der nun durch den Gehorsam gebunden war, wusste nicht was er tun sollte. Er fürchtete sich, eine Wahl zu treffen, weil er Sorge hatte, seine Entscheidung könnte nach Eigenwillen aussehen. In seiner Verwirrung und Ratlosigkeit ging er zu einem Bruder, der in vielen Widerwärtigkeiten erprobt war, und erbat sich von ihm Rat, indem er sagte: „Liebster Bruder, so und so ist mir befohlen worden, aber ich bin bange eine Wahl zu treffen und weiß nicht, was ich tun soll“. Dieser antwortete: „Geh zu Bruder Elias und sage - ‚Bruder, weder gehen noch bleiben will ich, sondern nur das, was du mir befehlen wirst, möchte ich tun.’ Auf diese Weise wirst du dich aus dieser verwickelten Angelegenheit freimachen.“ Und er machte es so. Nachdem Bruder Elias ihn angehört hatte, befahl er ihm in der Kraft des heiligen Gehorsams, mit Bruder Cäsar nach Deutschland zu eilen. Dies ist Bruder Jordan von Giano, er der dies für euch niederschreibt. Der Wut der Deutschen, vor der er sich so fürchtete, entging er! Zusammen mit Bruder Cäsar und den anderen Brüdern verpflanzte er den Orden der Minderbrüder erstmalig nach Deutschland.

 

Meditationen:

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790 Jahre Minoriten (2014)
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 L.N.K. in der Minoritenkirche