Katharinenkapelle
Detail der Ansicht aus 1683 von Daniel Suttinger

Lange Nacht der Kirchen 2015
in der Minoritenkirche



Wo befand sich das erste Gotteshaus der Minoriten in Wien?
-
Ein verschwundenes Baujuwel nebst der Minoritenkirche


Meditation
für die "Lange Nacht der Kirchen" am 29. Mai 2015

Verfasser: Dr. Manfred Zips

Rollen:

Erster Erzähler  (Dr. Manfred Zips),
Zweiter Erzähler  (Mag. Giacomo Borioni),
Rezitator A 
(Christiane Zips)
Rezitator B (P. Thomas Manalil)

Bildrecherche/Bildmontagen: Mag. Giacomo Borioni.
Bildpräsentation: Franz Belina.

Musik:
Mario Eritreo (Harmonium) & Yuliya Lebedenko (Violine)

Meditationen:

  Antonius von Padua (2009)
 
Giordano da Giano (2009)
 
Jacopone von Todi (2009)
 
Franziskus (2010)
 
Coelestin V. (2011)
 
Westportal (2011)
 
Ludwig von Toulouse (2012)
 
Heilige der Kongregation (2013)
 
Heilige Cäcilie (2014)
 
790 Jahre Minoriten (2014)
  230 Jahre Maria Schnee (2014)
  Klemens M. Hofbauer (2014)
 
Katharinenkapelle (2015)
  390 Jahre It. Kongregation (2015)
 
Frauen im Banne der Minoritenkirche (2016)
 
Eine Liebeserklärung in Stein (2016)
   Franziskus v. Assisi (2018)


 L.N.K. in der Minoritenkirche

 





Minoritenkloster: Wiener Grundrissplan von Daniel Suttinger aus 1684


Minoritenkloster im Wienplan von W. A. Steinhausen, 1710


Minoritenplatz und Ballhausplatz um 1863


MUSIK:
Edward Elgar (1857-1934) - Salut d’Amour, op.12

1. ERZÄHLER: Wenn man seine Schritte von der verkehrsreichen und von hektischem Treiben geprägten Ringstraße durch das Äußere Burgtor lenkt und weiter in Richtung Herrengasse, der mittelalterlichen Hochstraße, sowie zur alten Babenbergerresidenz Am Hof mit seiner so geschichtsträchtigen Kirche geht, welche einmal den Karmelitern und später den Jesuiten Heimat geboten hat, überquert man nicht weniger als drei faktisch miteinander verbundene Plätze, nämlich den Heldenplatz, den Ballhausplatz und den Minoritenplatz. Auf diese Weise durchschreitet man mehrere Epochen der Wiener Stadtgeschichte, welche von der Moderne über die Ära Franz-Josephs, Maria Theresias und Leopolds I. bis in das hohe Mittelalter zurückführen. Betritt man sodann den zumeist ruhigen und beschaulichen Minoritenplatz, steht man vor jenem uns heute vielleicht etwas fremd anmutenden blockförmigen Bettelordensbau mit seinem gekappten „Campanile“, der „Kirche mit dem abgeschossenen Turm“ wie die Wiener liebevoll die Minoritenkirche in Erinnerung an die Zeit der Türkenkriege nennen.

2. ERZÄHLER: Die hier beschriebene Raumkonzeption ist kein Produkt des Zufalls, sondern Ergebnis einer Planung des späten 19. Jahrhunderts, welche auch die heute so isoliert stehende Minoritenkirche mitumfasste. Betrachtet man ältere Wiener Stadtpläne oder Stadtansichten, fällt einem sogleich auf, wie sehr dieses Gebiet noch in der zweiten Hälfte des eben genannten Säkulums verbaut gewesen war. Vier Bilder aus dem 17.,18. und 19. Jh. sollen diesen Umstand veranschaulichen, nämlich ein Detail aus dem Grundrissplan der Stadt Wien von 1684 durch Daniel Suttinger (Plan), dem wir auch eine für uns aufschlussreiche Pergamentzeichnung des Jahres 1683 verdanken, welche danach im Kupferstich vervielfältigt wurde (Bild), die 1710 von Werner Arnold Steinhausen (Plan) angefertigte Skizze des Wiener Innenstadtbereichs, in einer von Gustav Adolph Schimmer 1847 erstellten Kopie sowie ein Ausschnitt aus dem 1863 entstandenen Stadtplan (Plan), der sich im Bezirksmuseum für den ersten Wiener Gemeindebezirk befindet.

Wir wollen uns in diesem Zusammenhang auf den zur Zeit des Babenbergerherzogs Leopold VI., des Glorreichen, – und höchst wahrscheinlich unter seiner Mitwirkung - vor oder um 1230 gegründeten Minoritenkonvent beschränken und andere umliegende Gebäude – wie das 1754 auf den Rennweg verlegte Hofspital am Ballhausplatz (Info) oder das kurz nach 1513 begonnene Niederösterreichische Landhaus (Info) Richtung Herrengasse außer Betracht lassen.


 







Ansicht des Minoritenklosters von 1683;
Detail aus der Ansicht von Daniel Suttinger


 Minoritenkirche 1683
Ausschnitt aus Suttingers Ansicht

 



 

Die drei Errichtungs-Phasen der Minoritenkirche:

1. Bauphase / 2. Bauphase
Im Hintergrund: Wienplan von W. A. Steinhausen, 1710

 

Grundriss-Situation Minoritenkloster um 1710:

Graphik von R. Perger und W. Brauneis (1977)
nach W. A. Steinhausen
 

1. ERZÄHLER: Der von den Minoriten seit dem 13. Jh. eingenommene Gebäudekomplex, welcher zuerst noch außerhalb des Mauergürtels lag, bestand zwar ursprünglich nur aus einem kleinen Kloster und einer Kapelle, wuchs jedoch im Laufe der Geschichte permanent an: So errichtete man in unmittelbarer Nähe des ursprünglichen Gotteshauses in drei Bauphasen die heutige Minoritenkirche (1. zweischiffiger Hallenbau mit Langchor, 2. Anbau von Johannes- und Ludwigskapelle, 3. Errichtung eines dreischiffigen Gebäudes mit noch existentem, aber später entferntem Langchor, wie der Grundriss (Plan) des heutigen Gotteshauses verdeutlicht).
Zur Ausgestaltung der Kirche gab König Ottokar II. Přemysl von Böhmen – nach dem Zeugnis der Ordenschronisten des 18. Jhs. – durch seine Grundsteinlegung im Jahre 1276 einen wichtigen Anstoß.
Die Vollendung des Gotteshauses in seinen heutigen Dimensionen dürfte aber erst um 1400 erfolgt sein, denn noch 1395 versprach Herzog Albrecht III. testamentarisch, den Bau der Minderbrüder zu unterstützen, was dann von den Testamentsvollstreckern ausdrücklich beurkundet wurde.

2. ERZÄHLER: Und auch der Konvent nahm auf Grund des starken Anwachsens der nunmehr in Wien lebenden Minoriten immer größere Ausmaße an. In der schematischen Darstellung des schon genannten Stadtplans von Steinhausen aus dem Jahre 1710 (Plan) umfasste das Kloster einen alten sowie einen neuen Kreuzgang, einen Kapitelsaal, eine Katharinenkapelle, ein neues Refektorium sowie eine Johanneskapelle. Letztere wurde 1317 eingeweiht, die anderen Bauwerke entstanden – abgesehen von der Katharinenkapelle, über die gleich zu sprechen sein wird - zwischen dem 14. und 16. Jh. Das Konventgebäude und der Kreuzgang lagen an der Südseite der heutigen Kirche auf dem Areal des nunmehrigen Staatsarchivs, Garten und Friedhof der Minoriten reichten ursprünglich bis zur Schauflergasse, Löwelstraße und Bankgasse und umschlossen auch Hausgründe in Richtung Herrengasse, an der Stelle des Bundeskanzleramtes befanden sich die Klosterbäckerei und das Haus des Provinzials.
 



1: Hallenbau der ersten Bauphase 2: Langchor 3: Lettner 4: Katharinenkapelle 5: drittes Schiff 6: Johanneskapelle


Umbau durch Hetzendorf von Hohenberg
zwischen 1784-1789:
Umbau des Langchores in ein Wohnhaus,
Einzug halbrunder Kurtinenwände zur Bildung eines einheitlichen neuen Chorabschlusses, Einbau eines neuen Hochaltares und Einbau einer Orgelempore



 


Ansicht von Daniel Huber 1774


Details aus der Suttingerschen Ansicht aus 1683:
Katharinenkapelle / Langchor / Johanneskapelle
 

1. ERZÄHLER: Die von Kaiser Joseph II. befohlene Übersiedlung der Minoriten in den früheren Konvent der Trinitarier in der Alser Vorstadt, 1783, und die Übertragung der nun frei gewordenen Minoritenkirche auf die Italienische Kongregation am 3. Juni 1784 (Info) veränderten insofern das Aussehen des Minoritenplatzes, als sowohl der ursprüngliche Langchor des Gründungsbaus, wahrscheinlich um die Mitte oder in der 2. Hälfte des 13. Jhs. entstanden, wie auch die alte Johanneskapelle aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. an der SW-Seite der Kirche, in zwei unmittelbar an das Gotteshaus angrenzende Wohnhäuser umgewandelt wurden, hier dargestellt auf einer Ansicht von 1850 (Bild) sowie auf Fotografien von 1901 [ehem. Langchor (Bild/Bild/Bild), ehem. Johanneskapelle (Bild/Bild)]. Doch erst der Abriss zweier Gebäude an dessen Nordseite [man betrachte dazu eine Vogelschau-zeichnung des 18. Jhs. (Bild)] in den Jahren 1881 und 1892 läutete die große Umgestaltung des Platzes ein. Es war nämlich das erklärte Ziel der Wiener Stadtverwaltung, durch die Entfernung einzelner Häuser die Unüberschaubarkeit dieses Stadtteils mit seinem Gewirr an Gässchen und Winkeln zu beseitigen und gleichzeitig durch die Errichtung neuer Gebäude dem Platz ein elegantes und zeitgemäßes Aussehen zu verleihen [Betrachten wir in diesem Konnex zwei Fotos aus der Zeit der Umbauphase (Bild/Bild)].
Auch die Kirche, welche nun ins Zentrum rückte, erfuhr nicht nur durch den Abbruch des alten Minoritenklosters – auf dessen Boden in den Jahren 1900-1902 das neue Haus-, Hof und Staatsarchiv entstand – sowie der beiden schon erwähnten Zinshäuser unmittelbar neben dem Gotteshaus, eine einschneidende Veränderung. Zwar wurden die von den italienischen Kongregaten mit großer Freude aufgenommenen Pläne des damaligen „Stararchitekten“, Prof. Viktor Luntz [ (Bild)/(Bild) - das zweite Bild ist die Kopie einer Aussendung der Vereinigung] nicht zur Gänze verwirklicht, aber unter der Leitung des Architektenduos Luigi de’ Giacomelli, selbst Mitglied der italienischen Kongregation, und Julius Herrmann, Leiter der Dombauhütte St. Stephan, entstanden an der Südseite des Kirchengebäudes ein neugotischer Arkadengang mit einem darüberliegenden Wohntrakt sowie an der Ostseite das sogenannte Sakristeihaus, Arbeiten, die 1906 abgeschlossen waren [Bild: Projekt Luntz und schlussendliche Realisierung der Restaurierungsarbeiten]. Voll Stolz beschrieb der italienische Verein nach Abschluss der Umgestaltungen seine im neuen Gewand erstrahlende Kirche:

 


Minoritenkirche 1850
Wohnhaus anstelle des Langchors


Umbauentwurf von Viktor Luntz
Anbringung des Arkadengangs
und des Sakristeihauses

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Lesung: M. Zips & G. Borioni

Rezitator A: 

ZITAT:
DIE ITALIENISCHE NATIONALKIRCHE „MARIA SCHNEE“ IN WIEN
Eine Charakterisierung der Minoritenkirche durch die Italienische Kongregation aus dem Jahre 1914


In unmittelbarer Nähe des „k.u.k. Ministeriums des kaiserlichen Hauses und des Äusseren“ erhebt sich auf dem vom großstädtischen Verkehr nur wenig berührten Minoritenplatz die Italienische Nationalkirche „Maria Schnee“, im Volksmunde „Minoritenkirche“ genannt, deren Gründung in das vierzehnte Jahrhundert zurückreicht. Im letztverflossenen Jahrzehnt nach allen Seiten frei gelegt – die hiezu erforderlichen, sehr bedeutenden, Geldmittel wurden großenteils durch die Allerhöchste Gnade Seiner Majestät, unseres erhabenen Kaisers, und durch die Munifizenz, den Großmut, der Gemeinde Wien beschafft – kommt der einfache aber wahrhaft großartige Kirchenbau nunmehr zu voller, herzerquickender Geltung. Auch in manchen ihrer einzelnen Teile – z.B. dem berühmten Hauptkirchenportal, eine der schönsten gotischen Schöpfungen, welche sich in Wien überhaupt vorfinden, und dem herrlichen, durch uralte Grabdenkmäler gezierten Arkadengang – steht diese Kirche nahezu einzig da; und auch hinsichtlich der inneren Ausstattung – wir verweisen da nur auf das wunderbare, der Kirche seinerzeit von Kaiser Ferdinand dem Gütigen geschenkte große Mosaikbild, welches das heilige Abendmahl von Leonardo da Vinci reproduziert – sucht dieses in schöne Gartenanlagen eingebettete Baudenkmal wahrhaft seines Gleichen.
Wie sehr Wiens elegante Welt an der Minoritenkirche hängt, zeigt ein Blick auf deren ebenso zahlreiche als andächtige, der besten Gesellschaft angehörigen, Besucher. Nicht bloss die Spitzen der Wiener italienischen „Kolonie“ findet man hier beim Hochamte an jedem Sonn- und Feiertage versammelt; auch gar viele hochstehende Beamte und Militärs sowie Mitglieder der höchsten Aristokratie sind da zu sehen, und in den ersten Kreisen der Wiener vornehmen Welt wird es immer gebräuchlicher, Eheschließungen in dieser Kirche vornehmen zu lassen. Denn diese Kirche ist zwar die „Italienische Nationalkirche“ Wiens, an deren Spitze der bekannte Wiener Seidenhändler Vincenzo Vinciguerra als Präfekt steht, pflegt jedoch keine, für eine Wiener Kirche gewiss nicht passenden, streng nationalen Tendenzen, sondern ist jederzeit bemüht, dem Wiener Publikum jedweder Nationalität eine, allen Anforderungen der Neuzeit Rechnung tragende, angenehme Stätte für seine Andachtsübungen zu bieten. Die Kirche ist elektrisch beleuchtet und wird bei kaltem Wetter geheizt; sie wird sorgfältigst rein gehalten. Sowohl der genannte Vereinspräsident als der Spiritual-Direktor Monsignore Pallùa kommt allen Wünschen, mögen sie die Abhaltung von Trauungen, die Kirchenmusik oder was sonst immer betreffen, in liebenswürdiger Form bereitwilligst nach Möglichkeit entgegen. Die Beichte kann auch in deutscher Sprache abgelegt werden. Die Volkshymne wird, wie es sich in Wien von selbst versteht, in deutscher Sprache gesungen, und die Tarife für Eheschließungen und für Begräbnisse sind da niedriger als jene, die für etliche Vorstadt-Pfarren gelten.

MUSIK:
Vincenzo Bellini (1801-1835) – „Vaga Luna“

 


Rezitation: Christiane Zips


Heilige Katharina von Alexandrien,
Säulenmalerei in der Kirche von Parkentin
Bild: An-d, cc-by-sa 3.0


Überlagerung der Grundrisszustände
von 1710 und heute


Ansicht des alten Langchores
aus der ersten Bauphase


Katharinenkapelle und Langchor
Ansicht von Daniel Huber 1774


König Ottokar Přemysl,
Königssaaler Annalen

2. ERZÄHLER: Opfer jenes Regulierungsprojektes der Gemeinde Wien wurde jedoch auch eine Kapelle des Minoritenkonvents, die man in der wissenschaftlichen Literatur den „Mittelpunkt der ganzen Klosteranlage“ nannte, und die zumindest seit 1298 der hl. Katharina von Alexandria geweiht war. Der Bau galt in der Vergangenheit faktisch unwidersprochen als die „Ursprungskapelledes Konvents und somit als erstes Gotteshaus der Minderbrüder in Österreich; so schreibt der Guardian des Wiener Minoritenklosters in einer Gedenkschrift an Maria Theresia aus dem Jahr 1760, dass die Katharinenkapelle den Brüdern von Herzog Leopold dem „Ehrenreichen“ übergeben worden sei. Auch gegenwärtig neigt die Forschung dieser Meinung zu, ganz besonders die minoritische Geschichtserinnerung. Innerhalb der klösterlichen Anlage befand sich das Kirchlein an der Ostseite des Kreuzgangs, und ragte in die heutige Bruno Kreisky Gasse – zwischen dem Ballhaus- und dem Minoritenplatz gelegen – hinein, wie sich aus den drei folgenden Rekonstruktionen (Graphik) der Positionierung von Katharinenkapelle-Langchor (Bild) und Kloster ersehen lässt (Bild); es hatte die Form eines zweischiffigen, dreijochigen Baus, der aus dem einstigen Gebäudekomplex deutlich vorsprang und zumindest ursprünglich nach Osten ausgerichtet war (Bild).

1. ERZÄHLER: Da die mittelalterliche Historiographie über die Anfänge der minoritischen Missionierung in Österreich schweigt, sind wir diesbezüglich auf Nekrologien und Gräberverzeichnisse seit dem 14. Jh. und weitgehend auf die Geschichtsschreibung des Ordens angewiesen, die mit der erwachenden Quellenforschung des 18. Jhs. einsetzt. Dieser Tradition zufolge existierte bereits vor Ankunft der Minoriten auf dem ihnen zugewiesenen Grundstück eine Kapelle oder wurde zumindest gleichzeitig mit der Niederlassung der Brüder an jenem Ort errichtet. Ungeklärt bleibt aber, ob dieses Gotteshaus schon in seiner Frühzeit mit der hl. Katharina verbunden war, was jedenfalls dem urkundlichen Zeugnis zu widersprechen scheint, dass die Kirche der Minderbrüder im Jahre 1251 vom zuständigen Bischof Berthold von Passau dem Hl. Kreuz Christi geweiht wurde.
Entstand vielleicht um die Mitte des 13. Jhs. ein anderes, größeres Gotteshaus, das man 1251 der Ordensgemeinschaft übergab? Dieses könnte unter Umständen mit dem um 1250 oder kurz danach errichteten alten Chor (Bild) identisch sein, dessen Existenz ebenfalls urkundlich bezeugt ist, und dessen Fundamente in Rekonstruktion heute an der Ostseite der Kirche wieder zu sehen sind (Bild). Fest steht jedenfalls, dass unsere Kapelle, nach einem Brand, im Jahre 1298 durch „Diethericum de Pilichdorf, Mareschallum Austriae“ wiederhergestellt und der hl. Katharina von Alexandrien geweiht wurde.

2. ERZÄHLER: Dieser Dietrich von Pilichdorf war eine angesehene und mächtige Persönlichkeit. Herzog Rudolf III. hatte ihn 1303 zum Hofmarschall erhoben und in der Folge wurden ihm schwierigste politische, militärische sowie diplomatische Missionen übertragen. In der Schlacht bei Mühldorf (1322) zwischen dem Habsburger Friedrich dem Schönen und Ludwig von Bayern war er der wichtigste österreichische Feldherr; schließlich leitete er auch die Unterhandlungen, die letztendlich zur Freilassung Friedrichs aus der bayrischen Gefangenschaft führten. Als er am 25.12.1327 starb, wurde er in der Katharinenkapelle beigesetzt, ebenso wie zahlreiche weitere Angehörige seiner Familie, welche gleichfalls dem Hof über Jahre bedeutende Dienste geleistet hatten.
Aber auch viele andere Mitglieder des hohen und niedrigen Adels sowie des gehobenen Bürgertums fanden in diesem Gotteshaus ebenso ihre letzte Ruhestätte wie verdiente Ordensangehörige. Nicht zu unrecht hat man die Kapelle ein Mausoleum der höchsten Würdenträger Österreichs genannt. Zirka 200 Personen wurden in diesem Kirchlein bestattet. Die wohl berühmteste Grablegung war die Beisetzung von Herz und Eingeweiden des 1278 in der Schlacht bei Dürnkrut/Jedenspeigen im Marchfeld gegen Rudolf von Habsburg gefallenen Böhmenkönigs Ottokar II. Přemysl‚ vor dem Georgsaltar der Kapelle. Ottokars Leichnam wurde nach Wien zuerst zu den Schotten und dann zu den Minoriten gebracht und hier einbalsamiert mehrere Wochen im Kapitelhaus des Klosters aufgebahrt. Da der König im Kirchenbann stand, gab es bei seiner Überführung weder Gesänge noch Glockengeläut. Erst nach Erscheinen der Absolutions-bulle erfolgte die Beerdigung des Přemysliden zuerst in der Minoritenkirche zu Znaim und schließlich am 26. August 1296 im Veitsdom zu Prag.
 


Herzog Leopold VI.,
13. Jh., Steyrer Stadtpfarrkirche


Katharinenkapelle mit Vorraum,
Kapitelsaal (li.) und Kreuzgang,
Situation um 1710 (nach Perger/Brauneis)


Katharinenkapelle um 1554
als Kaiserspitalkirche,
Der Zugang liegt noch im Westen



Katharinenkapelle um 1776
mit Kongregationsgebäude (Bild),
Der Kapelleneingang liegt hier im Osten





 


Darstellung von Kaiserspital und Minoritenkloster (1710) in Form einer Überlagerung auf den heutigen Grundrisszustand


Kaiserspital mit einverleibter Katharinenkapelle 1683,
farblich hervorgehoben in der Ansicht von Suttinger

1. ERZÄHLER: Zweifellos trat das Kirchlein mit der Errichtung des großen Gotteshauses etwas in den Hintergrund, obwohl wir von einigen Ablassgewährungen und Stiftungen zugunsten der Katharinenkapelle erfahren. Neue Bedeutung erlangte sie erst wieder durch die Gründung des Spitals „Zur hl. Barmherzigkeit“ um 1540, dem späteren Hof- bzw. Kaiserspital, einem weitläufigen, aus zwei Flügeln bestehenden Bau mit offenem Säulengang, der sich an das Klostergebäude der Minoriten anschloss und in Richtung Schauflergasse reichte (Bild). Zur Spitalskirche wurde die 1554 gründlich restaurierte Katharinenkapelle ausersehen (Bild), und die Minderbrüder übernahmen hier auch von 1551 bis 1564 das Seelsorgeamt. Doch 1564 erklärte man das Krankenhaus zur kaiserlichen Stiftung und übertrug die religiöse Betreuung der Kranken auf Kapläne aus der weltlichen Geistlichkeit, was natürlich die Verwendungsmöglichkeit der Katharinenkapelle durch die Minoriten reduzierte. Dazu kam, dass die Brüder von 1569 bis 1620 ihre große Kirche teilweise den Protestanten überlassen mussten und dass sie im Wesentlichen auf eben dieses kleine Gotteshaus, die Johanneskapelle sowie auf den schon erwähnten Langchor eingeschränkt waren. Es kann daher nicht verwundern, dass es den Minoriten auch weiterhin ein großes Anliegen war, besagte Kapelle nicht gänzlich zu verlieren. Dieser Umstand vermag zweifellos den Eklat des Jahres 1640 zu erklären.

2. ERZÄHLER: Damals ließ die Spitalsverwaltung jene Türe, welche den Kreuzgang des Klosters mit der Katharinenkapelle verband, von ihrer Seite in solcher Weise verschließen, dass vom Spital der Eintritt in das Kloster möglich, den Minoriten dagegen der Zugang in die Kapelle verwehrt war. Der Streit in dieser Angelegenheit mündete in eine handfeste Schlägerei und führte schließlich zur Vermauerung jener umkämpften Türe. Zu einer für den Orden befriedigenden Lösung kam es erst durch die Verlegung des Hofspitals auf den Rennweg im Jahre 1754. Jetzt erhielten die Brüder die Kirchenschlüssel zurück, so dass sie wieder in der Kapelle Gottesdienst feiern konnten, und 1761 wurde ihnen erneut das Eigentumsrecht zugestanden.
 



Katharinenkapelle als Kaiserspitalskirche

 

 

 

 


Ballhausplatz und Kaiserspital um 1900
An Stelle des neuen Kreuzgangs des Klosters
steht das heutige Bundeskanzleramt


Katharinenkapelle als Kirche der Ital. Kongregation,
unter dem neuen Patronat "Maria Schnee"
Ausschnitt aus dem "Welschen Jahrbuch" (Info)


Kaiser Joseph II. u. seine Mutter Maria Theresia v. Österreich
erweisen sich ab 1774 als Gönner der Italienischen Kongregation


Katafalk für Maria Theresia, 1780 errichtet
in der ehemaligen Katharinenkapelle

1. ERZÄHLER: Doch dieser Zustand war nicht von langer Dauer. Durch die vorüber-gehende Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 hatte die auf jesuitischer Gründung von 1625 durch den Universitätsprofessor und Beichtvater Ferdinands II., Guglielmo Lamormaini, beruhende Italienische Kongregation ihr Oratorium im Kloster der Gesellschaft Jesu am Hof verloren. Da gedachte man der Katharinenkapelle, welche ja auf Grund ihres Ursprungs als Gotteshaus der nach Wien gesandten Brüder des hl Franz von Assisi im Volk seit dem 13. Jh. als „italienische Kirche“ bekannt war. Dank eines Vermittlungsschreibens der Kaiserin Maria Theresia an die Minoriten gelang es den Kongregaten tatsächlich, zuerst Mieter und schließlich Eigentümer des Kirchleins zu werden. Nach einem gründlichen Umbau (Bild) wurde das Gotteshaus zu Ehren der Madonna della Neve (‚Maria Schnee’) - in Erinnerung an die Marienikone der Cappella Paolina von S. Maria Maggiore in Rom (Bild) - am 1. Februar 1775 (also vor 240 Jahren) eingeweiht.

2. ERZÄHLER: Und wieder versuchten die Minoriten, sich dieser Entwicklung entgegenzustemmen. Sie waren – letztlich erfolglos - einerseits darum bemüht, Eigentümer der Kapelle zu bleiben und andrerseits die Umbenennung des Gotteshauses zu verhindern; denn die Kirche sei doch – so ihre Argumentation - eine Gründung der Minderbrüder und diese hätten die 1761 durch den Kaiserhof bekräftigte Verpflichtung, die alte Tradition des Sakralbaus als Weihestätte für viele bedeutende Persönlichkeiten zu bewahren und der Nachwelt zu erhalten, wofür die altüberkommene Benennung sichere Gewähr sei.

1. ERZÄHLER: Als Kirche der Italiener in Wien gewann die nunmehrige „Maria Schnee“ - Kapelle wieder größere Bedeutung. Kurz nach der Übernahme des Gotteshauses wurde es Brauch, italienische Fastenprediger in die Nationalkirche einzuladen, was in der Donaumetropole und auch bei der kaiserlichen Familie auf großes Interesse stieß. Damit setzte man eine Tradition fort, die vorher mit der Peterskirche sowie der Jesuitenkirche am Hof verknüpft war.
Anlässlich des Hinscheidens der Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1780, die sich gegenüber der Kongregation stets als großmütige Gönnerin erwies, wurden in jenem Gotteshaus nicht nur Gedenkmessen gefeiert (Info), man errichtete ebenso einen reich geschmückten Katafalk, von dem es auch eine Abbildung gibt, die einen Blick in das vielleicht etwas stilisierte Innere der ehemaligen Katharinenkapelle erlaubt (Bild).
Schließlich ist in diesem Zusammenhang der Besuch von Papst Pius VI. in Wien im Jahre 1782 zu erwähnen (Info) und des Umstands zu gedenken, dass dieser am Karfreitag in die Kirche der Italiener am Ballhausplatz zum Gebet kam. Zu jenem Anlass soll das Kirchenoberhaupt die Schönheit des Gotteshauses hervorgehoben haben. Und auch Kaiser Joseph II. dokumentierte durch seine mehrfachen Besuche eine gewisse Vorliebe für diesen Andachtsraum.


Maria Schnee, Ausschnitt aus dem
"Welschen Jahrbuch" von 1775


Fassadenentwurf von 1774
noch ohne Portalgestaltung



Wappen und Unterschrift Pius VI.'
Goldenes Buch der Kongregation (Info)



Die ehemalige Kapelle als Magazin bzw. Werkstätte © BPD
Li.: heutiges BKA vor dem Bau des Staatsarchivs, Re.: Ballhaus

Portal und Turm wurden entfernt sowie Dach und Fenster
umgestaltet. Das Kongregationshaus neben der Kapelle
war seit 1782 um ein Stockwerk aufgestockt
(Borioni)
 

2. ERZÄHLER: Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass es gerade der letztgenannte Monarch war, der den Anstoß zum endgültigen Niedergang der Kapelle gegeben hat.
Mit der von Joseph II. veranlassten Übergabe der großen Kirche an die Italienische Kongregation war nämlich auch die Auflage verbunden, dass das kleine Gotteshaus in kaiserlichen Besitz kommen solle (Info). Nach der Übersiedlung der italienischen Gemeinschaft in die große ehemalige Minoritenkirche, die - nach einer gründlichen Instandsetzung und Restaurierung auf Kosten der neuen Eigentümer durch den kaiserlichen Hofarchitekten Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg - am 16. April 1786, einem Ostersonntag, feierlich unter dem Namen ‚Maria Schnee’ eingeweiht wurde, blieb die Katharinenkapelle vorerst Jahre hindurch geschlossen. Darauf benützte man sie als Magazin und schließlich als Werkstätte für die Steinschleifer des Grundbuchamtes.
Don Giovanni Salvadori, der von 1876 bis 1897 Rektor der Minoritenkirche ‚Maria Schnee’ war, schreibt in seinem 1894 publizierten Buch zur Minoritenkirche am Ende des Kapitels über unsere Kapelle: „ ... wenn bei der Freistellung der Minoritenkirche die Überreste der Katharinenkapelle verschwinden werden, wird man keine größere Untat als die bereits bestehende begehen, wodurch die Mutterkirche der Minoriten in Österreich sowie das Gebäude, in welchem das Herz Ottokars und so viele alte Hochadelige beigesetzt wurden, wo Kaiser Rudolf I. sich in den dritten Orden des heiligen Franziskus einschreiben ließ, wo ... Papst Pius VI. seine Andacht verrichtete, wo zum wiederholten Male ... Kaiser Joseph II. der Aufführung des Pergolesischen Stabat Mater beigewohnt hat, zu einer Werkstatt herabgesetzt worden ist!

MUSIK:
Alexander Varlamow (1801-1848) – „Engel“

 

 


König Ottokar Přemysl
Königssaaler Annalen



Eintrag im Nekrolog der Minoriten



Eintrag Pilichdorfs und König Ottokars
in der Gedenkschrift an Maria Theresia



Angabe der Position des Grabmals von König Ottokar II.
in der Gedenkschrift an Maria Theresia

1. ERZÄHLER: Doch was geschah mit den in der Katharinenkapelle bestatteten sterblichen Überresten - mit dem Herzen und den Eingeweiden - des unglücklichen Königs Ottokar II., der am 26. August 1278 den Schlachtentod erlitten hatte? Wenn sich diese Frage auch nicht eindeutig beantworten lässt, so erlauben uns die Quellen doch, zumindest den Zeitraum des Verschwindens des Grabmals in der Katharinenkapelle auf wenige Jahre einzugrenzen.
Auszugehen ist in diesem Zusammenhang von der Tatsache, dass zwischen den Wiener Minoriten und dem přemislidischen Monarchen - trotz mancher Irritationen – ein Gefühl der Verbundenheit bestand, welches schließlich zu dessen Aufbahrung und schlussendlicher Teilbestattung gerade im Konvent der Minderbrüder beitrug. Andrerseits beweist die Grablegung in der Katharinenkapelle, dass zu diesem Zeitpunkt das große Gotteshaus – von Ottokar selbst mitinitiiert - noch nicht fertiggestellt war. Den ältesten Verweis auf die Gedenkstätte für den Böhmenkönig in jenem Andachtsraum findet man in dem überwiegend im 14. Jh. angefertigten, nach Tagen und Monaten geordneten Nekrolog der Minoriten, mit Eintrag bei den Verstorbenen des August, allerdings mit irriger Angabe des Todesdatums (MCCLXXXIII – 1283, statt richtig MCCLXXVIII - 1278) (Bild); in dem angeschlossenen Gräberverzeichnis, das den Zeitraum vom Ende des 13. Jhs. bis zum 15. und 16. Jh. umfasst, steht ein analoger Vermerk, der die Position der Gedenkstätte genauer bestimmt: Sie befand sich nach der hier vorliegenden Angabe beim Georgsaltar der Kapelle (Bild). Und in vergleichbarer Weise bestätigt die Festschrift des Ordens zum 500jährigen Jubiläum seiner Niederlassung in Wien, dem „Saeculum Quintum“ von 1724, die Bestattung des Königs in der „Capella Sanctae Catharinae“ am ostwärts gelegenen Altar in Richtung Hofspital („ad Altare versus portam Hospitalis“).

2. ERZÄHLER: Besonders bemerkenswert ist in diesem Kontext die schon erwähnte Gedenkschrift der Ordensangehörigen an die Kaiserin Maria Theresia vom Jahr 1760, mit der die Brüder – nach der Übersiedlung des Hofspitals – um Rückgabe ihrer Mutterkirche bitten. Als ein wichtiges Argument führt der minoritische Autor die große Zahl bedeutender Grabstätten an, welche sich damals in der Obhut der Religiosen befanden. Dabei zählt der Verfasser, für den es außer Zweifel steht, dass die Katharinenkapelle als das erste Kirchlein der Gemeinschaft in Wien anzusprechen ist, wichtige Gräber des Oratoriums auf. In jener ausführlichen, z.T. mit den jeweiligen Wappen der Verstorbenen angereicherten, Präsentation nimmt die Erwähnung des Denkmals für den Böhmenkönig – gleich hinter Dietrich von Pilichdorf, dem zweiten Gründer der Kapelle – den nachfolgenden Platz ein (Bild/Bild). Der minoritische Kompilator betont, dass sich das Grabmal Ottokars neben dem Georgsaltar unter dem Kirchenfenster befände; damit stimmt der Hinweis wortwörtlich mit dem eines weiteren Gräberverzeichnisses des Klosters aus dem 14./15. Jh. überein (Bild). Jene Grabstätte des Přemysliden bestand nach dem Zeugnis von Leopold Fischer sogar noch 1769, wie sich einer Feststellung in dessen „Brevis Notitia Urbis Vindobonae“ entnehmen lässt.
 


Böhmischer Löwe,
Südwand der Minoritenkirche
Vgl.: Link





 


Eintrag im Gräberverzeichnis des 13.-16.Jhs.







Edition des minoritischen Gräberverzeichnisses
des 14./15. Jh.

 

1. ERZÄHLER: Damit gelangen wir sehr nahe an jene Jahre heran, als die Angehörigen der italienischen Kongregation auf der Suche nach einem neuen religiösen Zuhause waren. Am 20. März 1774 begaben sich die führenden Ratsmitglieder der Vereinigung zu den Minoriten, mit der Bitte, nach Zahlung einer bestimmten Benützungsgebühr die Gottesdienste in jener Kapelle abhalten zu dürfen. Nachdem dieses Ersuchen des Vereins, mit Hilfe der Vermittlung des Hofes, schließlich – trotz erheblicher Widerstände v.a. seitens der Minderbrüder - zu einem positiven Abschluss gebracht worden war, musste man allerdings feststellen, dass sich das Gebäude in einem sehr schlechten Zustand befand. Vor allem die Feuchtigkeit des 10 Stufen unter dem Straßenniveau liegenden Baus schuf für das Mauerwerk große Probleme. Dazu kam, dass man die Kapelle vergrößern und dem Geschmack der eigenen Zeit anpassen wollte. Ein erster Restaurierungsentwurf, der den durchgehend gotischen Baustil der Kirche belassen hätte, wurde als zu wenig tiefgreifend abgelehnt. Hingegen fand ein radikalerer Umgestaltungsplan Zustimmung sowohl bei den Mitgliedern der Kongregation wie auch bei Hofe, da hier eine Erweiterung und eine Anhebung der Kapelle vorgesehen war.
 


Fassadenentwurf von 1774
mit Portalgestaltung, Detail


Entwurf von 1774:
Blick auf Altar mit Maria Schnee Gemälde
Detail des Hochaltares
(*)

(*) Bei den Statuen neben dem Altarbild könnte es sich um jene handeln,
die heute den Altar der Antoniuskapelle flankieren (hl. Rochus & hl. Sebastian)
Bei dem Maria Schnee Relief des Altarantipendiums handelt es sich vielleicht um jenes, welches sich heute am Hochaltar der Minoritenkirche befindet (Bild).
Der Verbleib des Altargemäldes ist unbekannt.

(Borioni)



Grundriss um 1776 der italienischen Kirche
samt Erdgeschoß des Kongregationshauses
mit Wohnung für Spiritualdirektor und Mesner.
Seitenaltäre:  hl. Julius, hl. Rochus, hl. Clemens, hl. Josef
Man beachte auch Sängerempore und Kanzel samt Aufgängen

 
 

2. ERZÄHLER: Tatsächlich wurde letztlich dieses umfassendere Projekt weitgehend verwirklicht. Dennoch blieb die Grundform des Baus samt Strebepfeilern und Dachreiter unverändert bestehen (Bild). Doch wurde in die Ostwand ein Barockportal gebrochen, wie sich auch dem bekannten Vogelperspektiven-Plan der Jahre 1769-1778 von Joseph Daniel v. Huber entnehmen lässt (Bild). Die Restaurierungsarbeiten waren in kurzer Zeit so weit gediehen, dass man den 1. Februar 1775 als Tag der feierlichen Einweihung der Maria-Schnee-Kirche bestimmen konnte.
Was deren Innenausstattung betrifft, so kann man aus den erhaltenen Archivalien ersehen, dass die Kongregation die bedeutende Summe von 13.600 Gulden für Altäre und Ausschmückungen aufgewendet hat. Doch ein anderes Detail im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen den Minderbrüdern und der Kongregation um die Kirchenschlüssel sowie um das Patrozinium der Kapelle lässt aufhorchen: Auf die minoritische Feststellung, die Verpflichtung der Obsorge für die zahlreichen Grabdenkmäler in diesem Gotteshaus übernommen zu haben, antwortet die italienische Vereinigung mit dem Hinweis, dass man bei den Monumenten keinerlei sterbliche Überreste mehr gefunden habe. Die Grabsteine seien darauf – wie dies mehrfach geschah - hinter dem Hauptaltar zusammengestellt worden. Es gäbe somit in dem Andachtsraum nichts, worauf die Brüder Anspruch hätten und diese seien somit aller Verpflichtungen hinsichtlich des Gotteshauses enthoben. Mit keinem Wort ist in diesem Diskurs hingegen von dem Grabdenkmal König Ottokars die Rede. Dennoch kann mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass auch jenes – mit sterblichen Überresten des Böhmenkönigs oder ohne diese – zum Hauptaltar gebracht worden war und dort verblieb.

1. ERZÄHLER: Zwar ist die Möglichkeit nicht zu unterschätzen, dass im Zuge des U-Bahn-Baus die alten Reste der ehemaligen Katharinenkapelle unwiederbringlich vernichtet wurden; trotzdem erhebt sich die Frage, ob durch den Einsatz der geophysikalischen Prospektion, mit deren Hilfe man Unbekanntes unter der Erdoberfläche ohne Grabungen registrieren und zum Teil sogar identifizieren kann und die gerade von der österreichischen virtuellen Archäologie schon mehrfach mit großem Erfolg – zum Beispiel im englischen Stonehenge – eingesetzt wurde, nicht doch noch ein wichtiger Schritt zur Aufhellung dieses samt seiner Geheimnisse verschwundenen Wiener Baujuwels gelingen könnte.

REZITATOR B: Beenden wir unsere Betrachtung im Gedenken an alle jene, die in der Katharinenkapelle des Minoritenkonvents, der nachmaligen kleinen Maria-Schnee-Kirche, ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, mit den Tagesgebeten zum 5. August in Erinnerung an die Weihe der römischen Basilika Santa Maria Maggiore in Rom sowie zum 25. November, dem Gedenktag für die heilige Katharina von Alexandrien. Diese wurde nicht nur seit dem 8. Jh. von der Ostkirche, sondern auch im Westen sehr verehrt als eine der vierzehn Nothelfer sowie als Patronin zahlreicher Ortschaften und Beistand für Philosophen, Theologen und Gelehrte, für Lehrer und Studenten, aber auch für zahlreiche handwerklich Berufstätige:

Barmherziger Gott,
mit unserem eigenen Tun
können wir vor dir nicht bestehen.
Darum höre auf die Fürsprache
der seligen Jungfrau Maria.
Schau nicht auf unser Versagen,
sondern sei uns gnädig und rette uns.

Herr, unser Gott,
du offenbarst uns in der Bedrängnis
die Macht deines Erbarmens.
Von dir empfing die heilige Katharina die Gnade,
das Martyrium zu bestehen.
Von dir komme auch uns die Kraft,
in aller Not auf deine Hilfe zu vertrauen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.



MUSIK:
Ennio Morricone (1928) – „Gabriel’s Oboe“
 

 

 

 

1. Erzähler: Zur Abrundung unseres heutigen Themas sei darauf hingewiesen. dass kürzlich Herr Dr. Gerhard Schweter über das wahrscheinlich berühmteste Grabmonument unserer Kirche, nämlich das Renaissance-Epitaph (Bild) der Freifrau Magdalena Beck von Leopoldsdorf  ( 1562), das sich an der Westwand rechts vom Eingang der Kirche befindet, eine wichtige Publikation verfasst hat. Im kommenden Jahr wird der Autor im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ darüber referieren (Link zum Text der Lesung), doch schon heute können Sie das Werk auf dem Büchertisch unseres Gotteshauses bewundern. Dort wird auch unser Kirchenführer aufliegen, der im Jahre 2012 – versehen mit eindrucksvollen Fotografien – in drei Sprachen, nämlich deutsch, italienisch und englisch, erschienen ist.

2. Erzähler: Außerdem möchten wir darauf hinweisen, dass 8 der 10 für unsere vorjährige Ausstellung „230 Jahre italienische Minoritenkirche“ (Info) angefertigten Plakate in den Schaufenstern der Hofgänge des Bezirksmuseums Innere Stadt - Altes Rathaus“ (Eingänge Wipplingerstr. 6/ Stoß im Himmel 2), noch bis zum Sommer 2015 zu sehen sein werden. Die Tafeln präsentieren alle wesentlichen Etappen des Werdens unserer Kirche von deren Anfängen als Gotteshaus der Minoriten bis zur Übernahme der Andachtsstätte durch die Italienische Kongregation im Jahre 1784 und den starken baulichen Veränderungen im ausgehenden 18. Jh. sowie um 1900. Einen genauen Lageplan dazu finden Sie auf unserer Internetseite: LINK.

 


Putto mit Darstellung der umgebauten Kapelle,
Ausschnitt aus dem "Welschen Jahrbuch" (Info)
 

 

    Weiterlesen:
Geschichte der Minoritenkirche u. des Klosters
Übernahme durch die Italienische Kongregation
Totenmesse für Maria Theresia
Pius VI. in der Katharinenkapelle
Übernahme durch Joseph II.