Minoritenkloster: Wiener Grundrissplan von Daniel Suttinger
aus 1684
Minoritenkloster im Wienplan von W. A. Steinhausen, 1710
Minoritenplatz und Ballhausplatz um 1863
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MUSIK:
Edward Elgar (1857-1934) - Salut d’Amour, op.12
1. ERZÄHLER: Wenn man seine
Schritte von der verkehrsreichen und von hektischem Treiben geprägten
Ringstraße durch das Äußere Burgtor lenkt und weiter in Richtung
Herrengasse, der mittelalterlichen Hochstraße, sowie zur alten
Babenbergerresidenz Am Hof mit seiner so geschichtsträchtigen Kirche geht,
welche einmal den Karmelitern und später den Jesuiten Heimat geboten hat,
überquert man nicht weniger als drei faktisch miteinander verbundene Plätze,
nämlich den Heldenplatz, den Ballhausplatz und den
Minoritenplatz. Auf diese Weise durchschreitet man mehrere Epochen der
Wiener Stadtgeschichte, welche von der Moderne über die Ära Franz-Josephs,
Maria Theresias und Leopolds I. bis in das hohe Mittelalter zurückführen.
Betritt man sodann den zumeist ruhigen und beschaulichen Minoritenplatz,
steht man vor jenem uns heute vielleicht etwas fremd anmutenden
blockförmigen Bettelordensbau mit seinem gekappten „Campanile“, der „Kirche
mit dem abgeschossenen Turm“ wie die Wiener liebevoll die Minoritenkirche in
Erinnerung an die Zeit der Türkenkriege nennen.
2. ERZÄHLER: Die hier beschriebene Raumkonzeption ist kein Produkt
des Zufalls, sondern Ergebnis einer Planung des späten 19. Jahrhunderts,
welche auch die heute so isoliert stehende Minoritenkirche mitumfasste.
Betrachtet man ältere Wiener Stadtpläne oder Stadtansichten, fällt einem
sogleich auf, wie sehr dieses Gebiet noch in der zweiten Hälfte des eben
genannten Säkulums verbaut gewesen war. Vier Bilder aus dem 17.,18. und 19.
Jh. sollen diesen Umstand veranschaulichen, nämlich ein Detail aus dem
Grundrissplan der Stadt Wien von 1684 durch Daniel Suttinger (Plan),
dem wir auch eine für uns aufschlussreiche Pergamentzeichnung des Jahres
1683 verdanken, welche danach im Kupferstich vervielfältigt wurde (Bild),
die 1710 von Werner Arnold Steinhausen (Plan)
angefertigte Skizze des Wiener Innenstadtbereichs, in einer von Gustav
Adolph Schimmer 1847 erstellten Kopie sowie ein Ausschnitt aus dem 1863
entstandenen Stadtplan (Plan),
der sich im Bezirksmuseum für den ersten Wiener Gemeindebezirk befindet.
Wir wollen uns in diesem Zusammenhang auf den zur Zeit des
Babenbergerherzogs Leopold VI., des Glorreichen, – und höchst wahrscheinlich
unter seiner Mitwirkung - vor oder um 1230 gegründeten
Minoritenkonvent beschränken und andere umliegende Gebäude – wie das
1754 auf den Rennweg verlegte Hofspital am Ballhausplatz (Info) oder das
kurz nach 1513 begonnene Niederösterreichische Landhaus (Info) Richtung
Herrengasse außer Betracht lassen.
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Ansicht des Minoritenklosters von 1683;
Detail aus der Ansicht von Daniel Suttinger
Minoritenkirche 1683
Ausschnitt aus Suttingers Ansicht
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Die drei Errichtungs-Phasen der Minoritenkirche:
1. Bauphase / 2. Bauphase
Im Hintergrund: Wienplan von W. A. Steinhausen, 1710
Grundriss-Situation Minoritenkloster um 1710:
Graphik
von R. Perger und W. Brauneis (1977)
nach W. A. Steinhausen
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1. ERZÄHLER: Der von den Minoriten seit dem 13. Jh.
eingenommene Gebäudekomplex, welcher zuerst noch außerhalb des Mauergürtels
lag, bestand zwar ursprünglich nur aus einem kleinen Kloster und einer
Kapelle, wuchs jedoch im Laufe der Geschichte permanent an: So errichtete
man in unmittelbarer Nähe des ursprünglichen Gotteshauses in drei
Bauphasen die heutige Minoritenkirche (1.
zweischiffiger Hallenbau mit Langchor,
2. Anbau von Johannes-
und Ludwigskapelle, 3.
Errichtung eines dreischiffigen Gebäudes mit noch existentem, aber später
entferntem Langchor, wie der Grundriss (Plan)
des heutigen Gotteshauses verdeutlicht).
Zur Ausgestaltung der Kirche gab König Ottokar II. Přemysl von Böhmen
– nach dem Zeugnis der Ordenschronisten des 18. Jhs. – durch seine
Grundsteinlegung im Jahre 1276 einen wichtigen Anstoß.
Die Vollendung des Gotteshauses in seinen heutigen Dimensionen dürfte aber
erst um 1400 erfolgt sein, denn noch 1395 versprach Herzog Albrecht III.
testamentarisch, den Bau der Minderbrüder zu unterstützen, was dann von den
Testamentsvollstreckern ausdrücklich beurkundet wurde.
2. ERZÄHLER: Und auch der Konvent nahm auf Grund des starken
Anwachsens der nunmehr in Wien lebenden Minoriten immer größere Ausmaße an.
In der schematischen Darstellung des schon genannten Stadtplans von
Steinhausen aus dem Jahre 1710 (Plan)
umfasste das Kloster einen alten sowie einen neuen
Kreuzgang, einen Kapitelsaal, eine Katharinenkapelle, ein
neues Refektorium sowie eine Johanneskapelle. Letztere wurde
1317 eingeweiht, die anderen Bauwerke entstanden – abgesehen von der
Katharinenkapelle, über die gleich zu sprechen sein wird - zwischen dem 14.
und 16. Jh. Das Konventgebäude und der Kreuzgang lagen an der
Südseite der heutigen Kirche auf dem Areal des nunmehrigen Staatsarchivs,
Garten und Friedhof der Minoriten reichten ursprünglich bis zur
Schauflergasse, Löwelstraße und Bankgasse und umschlossen auch Hausgründe in
Richtung Herrengasse, an der Stelle des Bundeskanzleramtes befanden sich die
Klosterbäckerei und das Haus des Provinzials.
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1: Hallenbau der ersten Bauphase 2: Langchor 3: Lettner 4:
Katharinenkapelle 5: drittes Schiff 6: Johanneskapelle
Umbau durch Hetzendorf von Hohenberg
zwischen 1784-1789:
Umbau des Langchores in ein Wohnhaus,
Einzug halbrunder Kurtinenwände zur Bildung eines einheitlichen neuen Chorabschlusses, Einbau eines
neuen Hochaltares und Einbau einer Orgelempore
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Ansicht von Daniel Huber 1774
Details aus der Suttingerschen Ansicht aus 1683:
Katharinenkapelle / Langchor / Johanneskapelle
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1. ERZÄHLER: Die von Kaiser Joseph II. befohlene
Übersiedlung der Minoriten in den früheren Konvent der Trinitarier in
der Alser Vorstadt, 1783, und die Übertragung der nun frei gewordenen
Minoritenkirche auf die Italienische Kongregation am 3. Juni 1784 (Info)
veränderten insofern das Aussehen des Minoritenplatzes, als sowohl der
ursprüngliche Langchor des Gründungsbaus, wahrscheinlich um die Mitte
oder in der 2. Hälfte des 13. Jhs. entstanden, wie auch die alte
Johanneskapelle aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. an der SW-Seite der
Kirche, in zwei unmittelbar an das Gotteshaus angrenzende Wohnhäuser
umgewandelt wurden, hier dargestellt auf einer Ansicht von 1850 (Bild)
sowie auf Fotografien von 1901 [ehem. Langchor (Bild/Bild/Bild),
ehem. Johanneskapelle (Bild/Bild)].
Doch erst der Abriss zweier Gebäude an dessen Nordseite [man betrachte dazu
eine Vogelschau-zeichnung des 18. Jhs. (Bild)]
in den Jahren 1881 und 1892 läutete die große Umgestaltung des Platzes ein.
Es war nämlich das erklärte Ziel der Wiener Stadtverwaltung, durch die
Entfernung einzelner Häuser die Unüberschaubarkeit dieses Stadtteils mit
seinem Gewirr an Gässchen und Winkeln zu beseitigen und gleichzeitig durch
die Errichtung neuer Gebäude dem Platz ein elegantes und zeitgemäßes
Aussehen zu verleihen [Betrachten wir in diesem Konnex zwei Fotos aus der
Zeit der Umbauphase (Bild/Bild)].
Auch die Kirche, welche nun ins Zentrum rückte, erfuhr nicht nur durch den
Abbruch des alten Minoritenklosters – auf dessen Boden in den Jahren
1900-1902 das neue Haus-, Hof und Staatsarchiv entstand – sowie der
beiden schon erwähnten Zinshäuser unmittelbar neben dem Gotteshaus, eine
einschneidende Veränderung. Zwar wurden die von den italienischen
Kongregaten mit großer Freude aufgenommenen Pläne des damaligen
„Stararchitekten“, Prof. Viktor Luntz [ (Bild)/(Bild)
- das zweite Bild ist die Kopie einer Aussendung der Vereinigung] nicht zur
Gänze verwirklicht, aber unter der Leitung des Architektenduos Luigi de’
Giacomelli, selbst Mitglied der italienischen Kongregation, und
Julius Herrmann, Leiter der Dombauhütte St. Stephan, entstanden an der
Südseite des Kirchengebäudes ein neugotischer Arkadengang mit einem
darüberliegenden Wohntrakt sowie an der Ostseite das sogenannte
Sakristeihaus, Arbeiten, die 1906 abgeschlossen waren [Bild:
Projekt Luntz und schlussendliche Realisierung der Restaurierungsarbeiten].
Voll Stolz beschrieb der italienische Verein nach Abschluss der
Umgestaltungen seine im neuen Gewand erstrahlende Kirche:
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Minoritenkirche 1850
Wohnhaus anstelle des Langchors
Umbauentwurf von Viktor Luntz
Anbringung des Arkadengangs
und des Sakristeihauses |
Lesung: M. Zips & G. Borioni
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Rezitator A:
ZITAT:
DIE ITALIENISCHE NATIONALKIRCHE „MARIA SCHNEE“ IN WIEN
Eine Charakterisierung der Minoritenkirche durch die Italienische
Kongregation aus dem Jahre 1914
In unmittelbarer Nähe des „k.u.k. Ministeriums des kaiserlichen Hauses
und des Äusseren“ erhebt sich auf dem vom großstädtischen Verkehr nur wenig
berührten Minoritenplatz die Italienische Nationalkirche „Maria Schnee“, im
Volksmunde „Minoritenkirche“ genannt, deren Gründung in das vierzehnte
Jahrhundert zurückreicht. Im letztverflossenen Jahrzehnt nach allen Seiten
frei gelegt – die hiezu erforderlichen, sehr bedeutenden, Geldmittel wurden
großenteils durch die Allerhöchste Gnade Seiner Majestät, unseres erhabenen
Kaisers, und durch die Munifizenz, den Großmut, der Gemeinde Wien beschafft
– kommt der einfache aber wahrhaft großartige Kirchenbau nunmehr zu voller,
herzerquickender Geltung. Auch in manchen ihrer einzelnen Teile – z.B. dem
berühmten Hauptkirchenportal, eine der schönsten gotischen Schöpfungen,
welche sich in Wien überhaupt vorfinden, und dem herrlichen, durch uralte
Grabdenkmäler gezierten Arkadengang – steht diese Kirche nahezu einzig da;
und auch hinsichtlich der inneren Ausstattung – wir verweisen da nur auf das
wunderbare, der Kirche seinerzeit von Kaiser Ferdinand dem Gütigen
geschenkte große Mosaikbild, welches das heilige Abendmahl von Leonardo da
Vinci reproduziert – sucht dieses in schöne Gartenanlagen eingebettete
Baudenkmal wahrhaft seines Gleichen.
Wie sehr Wiens elegante Welt an der Minoritenkirche hängt, zeigt ein Blick
auf deren ebenso zahlreiche als andächtige, der besten Gesellschaft
angehörigen, Besucher. Nicht bloss die Spitzen der Wiener italienischen
„Kolonie“ findet man hier beim Hochamte an jedem Sonn- und Feiertage
versammelt; auch gar viele hochstehende Beamte und Militärs sowie Mitglieder
der höchsten Aristokratie sind da zu sehen, und in den ersten Kreisen der
Wiener vornehmen Welt wird es immer gebräuchlicher, Eheschließungen in
dieser Kirche vornehmen zu lassen. Denn diese Kirche ist zwar die
„Italienische Nationalkirche“ Wiens, an deren Spitze der bekannte Wiener
Seidenhändler Vincenzo Vinciguerra als Präfekt steht, pflegt jedoch keine,
für eine Wiener Kirche gewiss nicht passenden, streng nationalen Tendenzen,
sondern ist jederzeit bemüht, dem Wiener Publikum jedweder Nationalität
eine, allen Anforderungen der Neuzeit Rechnung tragende, angenehme Stätte
für seine Andachtsübungen zu bieten. Die Kirche ist elektrisch beleuchtet
und wird bei kaltem Wetter geheizt; sie wird sorgfältigst rein gehalten.
Sowohl der genannte Vereinspräsident als der Spiritual-Direktor Monsignore
Pallùa kommt allen Wünschen, mögen sie die Abhaltung von Trauungen, die
Kirchenmusik oder was sonst immer betreffen, in liebenswürdiger Form
bereitwilligst nach Möglichkeit entgegen. Die Beichte kann auch in deutscher
Sprache abgelegt werden. Die Volkshymne wird, wie es sich in Wien von selbst
versteht, in deutscher Sprache gesungen, und die Tarife für Eheschließungen
und für Begräbnisse sind da niedriger als jene, die für etliche
Vorstadt-Pfarren gelten.
MUSIK:
Vincenzo Bellini (1801-1835) – „Vaga Luna“
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Rezitation: Christiane Zips |
Heilige Katharina von Alexandrien,
Säulenmalerei in der Kirche von Parkentin
Bild: An-d, cc-by-sa 3.0
Überlagerung der Grundrisszustände
von 1710 und heute
Ansicht des alten Langchores
aus der ersten Bauphase
Katharinenkapelle und Langchor
Ansicht von Daniel Huber 1774
König Ottokar
Přemysl,
Königssaaler Annalen |
2. ERZÄHLER: Opfer jenes Regulierungsprojektes der
Gemeinde Wien wurde jedoch auch eine Kapelle des Minoritenkonvents, die man
in der wissenschaftlichen Literatur den „Mittelpunkt der ganzen
Klosteranlage“ nannte, und die zumindest seit 1298 der hl. Katharina von
Alexandria geweiht war. Der Bau galt in der Vergangenheit faktisch
unwidersprochen als die „Ursprungskapelle“ des Konvents und
somit als erstes Gotteshaus der Minderbrüder in Österreich; so schreibt der
Guardian des Wiener Minoritenklosters in einer Gedenkschrift an Maria
Theresia aus dem Jahr 1760, dass die Katharinenkapelle den Brüdern von
Herzog Leopold dem „Ehrenreichen“ übergeben worden sei. Auch gegenwärtig
neigt die Forschung dieser Meinung zu, ganz besonders die minoritische
Geschichtserinnerung. Innerhalb der klösterlichen Anlage befand sich das
Kirchlein an der Ostseite des Kreuzgangs, und ragte in die heutige Bruno
Kreisky Gasse – zwischen dem Ballhaus- und dem Minoritenplatz gelegen –
hinein, wie sich aus den drei folgenden Rekonstruktionen (Graphik)
der Positionierung von Katharinenkapelle-Langchor (Bild)
und Kloster ersehen lässt (Bild);
es hatte die Form eines zweischiffigen, dreijochigen Baus, der aus dem
einstigen Gebäudekomplex deutlich vorsprang und zumindest ursprünglich nach
Osten ausgerichtet war (Bild).
1. ERZÄHLER: Da die mittelalterliche Historiographie über die Anfänge
der minoritischen Missionierung in Österreich schweigt, sind wir
diesbezüglich auf Nekrologien und Gräberverzeichnisse seit dem 14. Jh. und
weitgehend auf die Geschichtsschreibung des Ordens angewiesen, die mit der
erwachenden Quellenforschung des 18. Jhs. einsetzt. Dieser Tradition zufolge
existierte bereits vor Ankunft der Minoriten auf dem ihnen zugewiesenen
Grundstück eine Kapelle oder wurde zumindest gleichzeitig mit der
Niederlassung der Brüder an jenem Ort errichtet. Ungeklärt bleibt aber, ob
dieses Gotteshaus schon in seiner Frühzeit mit der hl. Katharina verbunden
war, was jedenfalls dem urkundlichen Zeugnis zu widersprechen scheint, dass
die Kirche der Minderbrüder im Jahre 1251 vom zuständigen Bischof
Berthold von Passau dem Hl. Kreuz Christi geweiht wurde.
Entstand vielleicht um die Mitte des 13. Jhs. ein anderes, größeres
Gotteshaus, das man 1251 der Ordensgemeinschaft übergab? Dieses könnte unter
Umständen mit dem um 1250 oder kurz danach errichteten alten Chor
(Bild) identisch
sein, dessen Existenz ebenfalls urkundlich bezeugt ist, und dessen
Fundamente in Rekonstruktion heute an der Ostseite der Kirche wieder zu
sehen sind (Bild).
Fest steht jedenfalls, dass unsere Kapelle, nach einem Brand, im
Jahre 1298 durch „Diethericum de Pilichdorf, Mareschallum Austriae“
wiederhergestellt und der hl. Katharina von Alexandrien geweiht
wurde.
2. ERZÄHLER: Dieser Dietrich von Pilichdorf war eine angesehene und
mächtige Persönlichkeit. Herzog Rudolf III. hatte ihn 1303 zum
Hofmarschall erhoben und in der Folge wurden ihm schwierigste politische,
militärische sowie diplomatische Missionen übertragen. In der Schlacht
bei Mühldorf (1322) zwischen dem Habsburger Friedrich dem Schönen und
Ludwig von Bayern war er der wichtigste österreichische Feldherr;
schließlich leitete er auch die Unterhandlungen, die letztendlich zur
Freilassung Friedrichs aus der bayrischen Gefangenschaft führten. Als er am
25.12.1327 starb, wurde er in der Katharinenkapelle beigesetzt, ebenso wie
zahlreiche weitere Angehörige seiner Familie, welche gleichfalls dem Hof
über Jahre bedeutende Dienste geleistet hatten.
Aber auch viele andere Mitglieder des hohen und niedrigen Adels sowie des
gehobenen Bürgertums fanden in diesem Gotteshaus ebenso ihre letzte
Ruhestätte wie verdiente Ordensangehörige. Nicht zu unrecht hat man die
Kapelle ein Mausoleum der höchsten Würdenträger Österreichs genannt.
Zirka 200 Personen wurden in diesem Kirchlein bestattet. Die wohl
berühmteste Grablegung war die Beisetzung von Herz und Eingeweiden des 1278
in der Schlacht bei Dürnkrut/Jedenspeigen im Marchfeld gegen Rudolf von
Habsburg gefallenen Böhmenkönigs Ottokar II. Přemysl‚ vor dem
Georgsaltar der Kapelle. Ottokars Leichnam wurde nach Wien zuerst zu den
Schotten und dann zu den Minoriten gebracht und hier einbalsamiert mehrere
Wochen im Kapitelhaus des Klosters aufgebahrt. Da der König im Kirchenbann
stand, gab es bei seiner Überführung weder Gesänge noch Glockengeläut. Erst
nach Erscheinen der Absolutions-bulle erfolgte die Beerdigung des
Přemysliden zuerst in der Minoritenkirche zu Znaim und schließlich am 26.
August 1296 im Veitsdom zu Prag.
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Herzog Leopold VI.,
13. Jh., Steyrer Stadtpfarrkirche
Katharinenkapelle mit Vorraum,
Kapitelsaal (li.) und Kreuzgang,
Situation um 1710 (nach Perger/Brauneis)
Katharinenkapelle um 1554
als Kaiserspitalkirche,
Der Zugang liegt noch im Westen
Katharinenkapelle um 1776
mit Kongregationsgebäude (Bild),
Der Kapelleneingang liegt hier im Osten
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Darstellung von
Kaiserspital und Minoritenkloster (1710) in Form einer
Überlagerung auf den heutigen Grundrisszustand
Kaiserspital mit einverleibter Katharinenkapelle 1683,
farblich hervorgehoben in der Ansicht von Suttinger |
1. ERZÄHLER: Zweifellos trat das Kirchlein mit der
Errichtung des großen Gotteshauses etwas in den Hintergrund, obwohl wir von
einigen Ablassgewährungen und Stiftungen zugunsten der Katharinenkapelle
erfahren. Neue Bedeutung erlangte sie erst wieder durch die Gründung des
Spitals „Zur hl. Barmherzigkeit“ um 1540, dem späteren
Hof- bzw. Kaiserspital, einem weitläufigen, aus zwei Flügeln
bestehenden Bau mit offenem Säulengang, der sich an das Klostergebäude der
Minoriten anschloss und in Richtung Schauflergasse reichte (Bild).
Zur Spitalskirche wurde die 1554 gründlich restaurierte
Katharinenkapelle ausersehen (Bild),
und die Minderbrüder übernahmen hier auch von 1551 bis 1564 das Seelsorgeamt.
Doch 1564 erklärte man das Krankenhaus zur kaiserlichen Stiftung und
übertrug die religiöse Betreuung der Kranken auf Kapläne aus der weltlichen
Geistlichkeit, was natürlich die Verwendungsmöglichkeit der
Katharinenkapelle durch die Minoriten reduzierte. Dazu kam, dass die Brüder
von 1569 bis 1620 ihre große Kirche teilweise den Protestanten überlassen
mussten und dass sie im Wesentlichen auf eben dieses kleine Gotteshaus, die
Johanneskapelle sowie auf den schon erwähnten Langchor eingeschränkt waren.
Es kann daher nicht verwundern, dass es den Minoriten auch weiterhin ein
großes Anliegen war, besagte Kapelle nicht gänzlich zu verlieren. Dieser
Umstand vermag zweifellos den Eklat des Jahres 1640 zu erklären.
2. ERZÄHLER: Damals ließ die Spitalsverwaltung jene Türe, welche den
Kreuzgang des Klosters mit der Katharinenkapelle verband, von ihrer Seite in
solcher Weise verschließen, dass vom Spital der Eintritt in das Kloster
möglich, den Minoriten dagegen der Zugang in die Kapelle verwehrt war. Der
Streit in dieser Angelegenheit mündete in eine handfeste Schlägerei und
führte schließlich zur Vermauerung jener umkämpften Türe. Zu einer für den
Orden befriedigenden Lösung kam es erst durch die Verlegung des
Hofspitals auf den Rennweg im Jahre 1754. Jetzt erhielten die
Brüder die Kirchenschlüssel zurück, so dass sie wieder in der Kapelle
Gottesdienst feiern konnten, und 1761 wurde ihnen erneut das
Eigentumsrecht zugestanden.
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Katharinenkapelle als Kaiserspitalskirche
Ballhausplatz und Kaiserspital um 1900
An Stelle des neuen Kreuzgangs des Klosters
steht das heutige Bundeskanzleramt |
Katharinenkapelle als Kirche der Ital. Kongregation,
unter dem neuen Patronat "Maria Schnee"
Ausschnitt aus dem "Welschen Jahrbuch" (Info)
Kaiser Joseph II. u. seine Mutter Maria Theresia v.
Österreich
erweisen sich ab 1774 als Gönner der
Italienischen Kongregation
Katafalk für Maria Theresia, 1780 errichtet
in der ehemaligen Katharinenkapelle |
1. ERZÄHLER: Doch dieser Zustand war nicht von langer
Dauer. Durch die vorüber-gehende Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre
1773 hatte die auf jesuitischer Gründung von 1625 durch den
Universitätsprofessor und Beichtvater Ferdinands II., Guglielmo Lamormaini,
beruhende Italienische Kongregation ihr Oratorium im Kloster der
Gesellschaft Jesu am Hof verloren. Da gedachte man der Katharinenkapelle,
welche ja auf Grund ihres Ursprungs als Gotteshaus der nach Wien gesandten
Brüder des hl Franz von Assisi im Volk seit dem 13. Jh. als „italienische
Kirche“ bekannt war. Dank eines Vermittlungsschreibens der Kaiserin
Maria Theresia an die Minoriten gelang es den Kongregaten tatsächlich,
zuerst Mieter und schließlich Eigentümer des Kirchleins zu werden. Nach
einem gründlichen Umbau (Bild)
wurde das Gotteshaus zu Ehren der Madonna della Neve (‚Maria
Schnee’) - in Erinnerung an die Marienikone der Cappella Paolina von S.
Maria Maggiore in Rom (Bild)
- am 1. Februar 1775 (also vor 240 Jahren) eingeweiht.
2. ERZÄHLER: Und wieder versuchten die Minoriten, sich dieser
Entwicklung entgegenzustemmen. Sie waren – letztlich erfolglos - einerseits
darum bemüht, Eigentümer der Kapelle zu bleiben und andrerseits die
Umbenennung des Gotteshauses zu verhindern; denn die Kirche sei doch – so
ihre Argumentation - eine Gründung der Minderbrüder und diese hätten die
1761 durch den Kaiserhof bekräftigte Verpflichtung, die alte Tradition des
Sakralbaus als Weihestätte für viele bedeutende Persönlichkeiten zu bewahren
und der Nachwelt zu erhalten, wofür die altüberkommene Benennung sichere
Gewähr sei.
1. ERZÄHLER: Als Kirche der Italiener in Wien gewann die nunmehrige
„Maria Schnee“ - Kapelle wieder größere Bedeutung. Kurz nach der Übernahme
des Gotteshauses wurde es Brauch, italienische Fastenprediger in die
Nationalkirche einzuladen, was in der Donaumetropole und auch bei der
kaiserlichen Familie auf großes Interesse stieß. Damit setzte man eine
Tradition fort, die vorher mit der Peterskirche sowie der Jesuitenkirche am
Hof verknüpft war.
Anlässlich des Hinscheidens der Kaiserin Maria Theresia im Jahre
1780, die sich gegenüber der Kongregation stets als großmütige Gönnerin
erwies, wurden in jenem Gotteshaus nicht nur Gedenkmessen gefeiert (Info), man
errichtete ebenso einen reich geschmückten Katafalk, von dem es auch
eine Abbildung gibt, die einen Blick in das vielleicht etwas stilisierte
Innere der ehemaligen Katharinenkapelle erlaubt (Bild).
Schließlich ist in diesem Zusammenhang der Besuch von Papst Pius VI.
in Wien im Jahre 1782 zu erwähnen (Info) und des Umstands zu gedenken, dass
dieser am Karfreitag in die Kirche der Italiener am Ballhausplatz zum Gebet
kam. Zu jenem Anlass soll das Kirchenoberhaupt die Schönheit des
Gotteshauses hervorgehoben haben. Und auch Kaiser Joseph II. dokumentierte
durch seine mehrfachen Besuche eine gewisse Vorliebe für diesen
Andachtsraum.
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Maria Schnee, Ausschnitt aus dem
"Welschen Jahrbuch" von 1775
Fassadenentwurf von 1774
noch ohne Portalgestaltung
Wappen und Unterschrift Pius VI.'
Goldenes Buch der Kongregation (Info)
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Die ehemalige Kapelle als Magazin bzw. Werkstätte
© BPD
Li.: heutiges BKA vor dem Bau des
Staatsarchivs, Re.: Ballhaus
Portal und Turm wurden entfernt sowie Dach und
Fenster
umgestaltet. Das Kongregationshaus neben der Kapelle
war seit 1782 um ein Stockwerk aufgestockt (Borioni)
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2. ERZÄHLER: Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass es gerade der
letztgenannte Monarch war, der den Anstoß zum endgültigen Niedergang der
Kapelle gegeben hat.
Mit der von Joseph II. veranlassten Übergabe der großen Kirche an die
Italienische Kongregation war nämlich auch die Auflage verbunden, dass das
kleine Gotteshaus in kaiserlichen Besitz kommen solle (Info). Nach der Übersiedlung
der italienischen Gemeinschaft in die große ehemalige Minoritenkirche, die -
nach einer gründlichen Instandsetzung und Restaurierung auf Kosten der neuen
Eigentümer durch den kaiserlichen Hofarchitekten Johann Ferdinand Hetzendorf
von Hohenberg - am 16. April 1786, einem Ostersonntag, feierlich unter dem
Namen ‚Maria Schnee’ eingeweiht wurde, blieb die Katharinenkapelle vorerst
Jahre hindurch geschlossen. Darauf benützte man sie als Magazin und
schließlich als Werkstätte für die Steinschleifer des Grundbuchamtes.
Don
Giovanni Salvadori, der von 1876 bis 1897 Rektor der Minoritenkirche ‚Maria
Schnee’ war, schreibt in seinem 1894 publizierten Buch zur Minoritenkirche
am Ende des Kapitels über unsere Kapelle: „ ... wenn bei der Freistellung
der Minoritenkirche die Überreste der Katharinenkapelle verschwinden werden,
wird man keine größere Untat als die bereits bestehende begehen, wodurch die
Mutterkirche der Minoriten in Österreich sowie das Gebäude, in welchem das
Herz Ottokars und so viele alte Hochadelige beigesetzt wurden, wo Kaiser
Rudolf I. sich in den dritten Orden des heiligen Franziskus einschreiben
ließ, wo ... Papst Pius VI. seine Andacht verrichtete, wo zum wiederholten
Male ... Kaiser Joseph II. der Aufführung des Pergolesischen Stabat Mater
beigewohnt hat, zu einer Werkstatt herabgesetzt worden ist!“
MUSIK:
Alexander Varlamow (1801-1848) – „Engel“ |
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König Ottokar Přemysl
Königssaaler Annalen
Eintrag im Nekrolog der Minoriten
Eintrag Pilichdorfs und König Ottokars
in der Gedenkschrift an Maria Theresia
Angabe der Position des Grabmals von König Ottokar II.
in der Gedenkschrift an Maria Theresia
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1. ERZÄHLER: Doch was geschah mit den in der
Katharinenkapelle bestatteten sterblichen Überresten - mit dem Herzen und
den Eingeweiden - des unglücklichen Königs Ottokar II., der am 26. August
1278 den Schlachtentod erlitten hatte? Wenn sich diese Frage auch nicht
eindeutig beantworten lässt, so erlauben uns die Quellen doch, zumindest den
Zeitraum des Verschwindens des Grabmals in der Katharinenkapelle auf wenige
Jahre einzugrenzen.
Auszugehen ist in diesem Zusammenhang von der Tatsache, dass zwischen den
Wiener Minoriten und dem přemislidischen Monarchen - trotz mancher
Irritationen – ein Gefühl der Verbundenheit bestand, welches schließlich zu
dessen Aufbahrung und schlussendlicher Teilbestattung gerade im Konvent der
Minderbrüder beitrug. Andrerseits beweist die Grablegung in der
Katharinenkapelle, dass zu diesem Zeitpunkt das große Gotteshaus – von
Ottokar selbst mitinitiiert - noch nicht fertiggestellt war. Den ältesten
Verweis auf die Gedenkstätte für den Böhmenkönig in jenem Andachtsraum
findet man in dem überwiegend im 14. Jh. angefertigten, nach Tagen und
Monaten geordneten Nekrolog der Minoriten, mit Eintrag bei den
Verstorbenen des August, allerdings mit irriger Angabe des Todesdatums
(MCCLXXXIII – 1283, statt richtig MCCLXXVIII - 1278) (Bild); in dem
angeschlossenen Gräberverzeichnis, das den Zeitraum vom Ende des 13. Jhs.
bis zum 15. und 16. Jh. umfasst, steht ein analoger Vermerk, der die
Position der Gedenkstätte genauer bestimmt: Sie befand sich nach der hier
vorliegenden Angabe beim Georgsaltar der Kapelle (Bild). Und in vergleichbarer
Weise bestätigt die Festschrift des Ordens zum 500jährigen Jubiläum seiner
Niederlassung in Wien, dem „Saeculum Quintum“ von 1724, die Bestattung des
Königs in der „Capella Sanctae Catharinae“ am ostwärts gelegenen Altar in
Richtung Hofspital („ad Altare versus portam Hospitalis“).
2. ERZÄHLER: Besonders bemerkenswert ist in diesem Kontext die schon
erwähnte Gedenkschrift der Ordensangehörigen an die Kaiserin Maria Theresia
vom Jahr 1760, mit der die Brüder – nach der Übersiedlung des Hofspitals –
um Rückgabe ihrer Mutterkirche bitten. Als ein wichtiges Argument führt der minoritische Autor die große Zahl bedeutender Grabstätten an, welche sich
damals in der Obhut der Religiosen befanden. Dabei zählt der Verfasser, für
den es außer Zweifel steht, dass die Katharinenkapelle als das erste
Kirchlein der Gemeinschaft in Wien anzusprechen ist, wichtige Gräber des
Oratoriums auf. In jener ausführlichen, z.T. mit den jeweiligen Wappen der
Verstorbenen angereicherten, Präsentation nimmt die Erwähnung des Denkmals
für den Böhmenkönig – gleich hinter Dietrich von Pilichdorf, dem zweiten
Gründer der Kapelle – den nachfolgenden Platz ein (Bild/Bild). Der minoritische
Kompilator betont, dass sich das Grabmal Ottokars neben dem Georgsaltar
unter dem Kirchenfenster befände; damit stimmt der Hinweis wortwörtlich mit
dem eines weiteren Gräberverzeichnisses des Klosters aus dem 14./15. Jh.
überein (Bild). Jene Grabstätte des Přemysliden bestand nach dem Zeugnis von
Leopold Fischer sogar noch 1769, wie sich einer Feststellung in dessen „Brevis
Notitia Urbis Vindobonae“ entnehmen lässt.
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Böhmischer Löwe,
Südwand der Minoritenkirche
Vgl.: Link
Eintrag im Gräberverzeichnis des 13.-16.Jhs.
Edition des minoritischen Gräberverzeichnisses
des 14./15. Jh.
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1. ERZÄHLER: Damit gelangen wir sehr nahe an jene Jahre heran, als
die Angehörigen der italienischen Kongregation auf der Suche nach einem
neuen religiösen Zuhause waren. Am 20. März 1774 begaben sich die führenden
Ratsmitglieder der Vereinigung zu den Minoriten, mit der Bitte, nach Zahlung
einer bestimmten Benützungsgebühr die Gottesdienste in jener Kapelle
abhalten zu dürfen. Nachdem dieses Ersuchen des Vereins, mit Hilfe der
Vermittlung des Hofes, schließlich – trotz erheblicher Widerstände v.a.
seitens der Minderbrüder - zu einem positiven Abschluss gebracht worden war,
musste man allerdings feststellen, dass sich das Gebäude in einem sehr
schlechten Zustand befand. Vor allem die Feuchtigkeit des 10 Stufen unter
dem Straßenniveau liegenden Baus schuf für das Mauerwerk große Probleme.
Dazu kam, dass man die Kapelle vergrößern und dem Geschmack der eigenen Zeit
anpassen wollte. Ein erster Restaurierungsentwurf, der den durchgehend
gotischen Baustil der Kirche belassen hätte, wurde als zu wenig tiefgreifend
abgelehnt. Hingegen fand ein radikalerer Umgestaltungsplan Zustimmung sowohl
bei den Mitgliedern der Kongregation wie auch bei Hofe, da hier eine
Erweiterung und eine Anhebung der Kapelle vorgesehen war.
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Fassadenentwurf von 1774
mit Portalgestaltung,
Detail |
Entwurf von 1774:
Blick auf Altar mit Maria Schnee Gemälde
Detail
des Hochaltares (*)
(*) Bei den Statuen neben dem Altarbild könnte es
sich um jene handeln,
die heute den Altar der Antoniuskapelle flankieren (hl.
Rochus &
hl. Sebastian)
Bei dem Maria Schnee Relief des Altarantipendiums
handelt es sich vielleicht um jenes, welches sich heute am Hochaltar der
Minoritenkirche befindet (Bild).
Der Verbleib des Altargemäldes ist unbekannt.
(Borioni)
Grundriss
um 1776 der italienischen Kirche
samt Erdgeschoß des Kongregationshauses
mit Wohnung für Spiritualdirektor und Mesner.
Seitenaltäre: hl. Julius, hl. Rochus, hl.
Clemens, hl. Josef
Man beachte auch Sängerempore und Kanzel samt Aufgängen
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2. ERZÄHLER: Tatsächlich wurde letztlich dieses umfassendere Projekt
weitgehend verwirklicht. Dennoch blieb die Grundform des Baus samt
Strebepfeilern und Dachreiter unverändert bestehen (Bild). Doch wurde in die
Ostwand ein Barockportal gebrochen, wie sich auch dem bekannten
Vogelperspektiven-Plan der Jahre 1769-1778 von Joseph Daniel v. Huber
entnehmen lässt (Bild). Die Restaurierungsarbeiten waren in kurzer Zeit so weit
gediehen, dass man den 1. Februar 1775 als Tag der feierlichen
Einweihung
der Maria-Schnee-Kirche bestimmen konnte.
Was deren Innenausstattung betrifft, so kann man aus den erhaltenen
Archivalien ersehen, dass die Kongregation die bedeutende Summe von 13.600
Gulden für Altäre und Ausschmückungen aufgewendet hat. Doch ein anderes
Detail im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen den Minderbrüdern
und der Kongregation um die Kirchenschlüssel sowie um das Patrozinium der
Kapelle lässt aufhorchen: Auf die minoritische Feststellung, die
Verpflichtung der Obsorge für die zahlreichen Grabdenkmäler in diesem
Gotteshaus übernommen zu haben, antwortet die italienische Vereinigung mit
dem Hinweis, dass man bei den Monumenten keinerlei sterbliche Überreste mehr
gefunden habe. Die Grabsteine seien darauf – wie dies mehrfach geschah -
hinter dem Hauptaltar zusammengestellt worden. Es gäbe somit in dem
Andachtsraum nichts, worauf die Brüder Anspruch hätten und diese seien somit
aller Verpflichtungen hinsichtlich des Gotteshauses enthoben. Mit keinem
Wort ist in diesem Diskurs hingegen von dem Grabdenkmal König Ottokars die
Rede. Dennoch kann mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen
werden, dass auch jenes – mit sterblichen Überresten des Böhmenkönigs oder
ohne diese – zum Hauptaltar gebracht worden war und dort verblieb.
1. ERZÄHLER: Zwar ist die Möglichkeit nicht zu unterschätzen, dass im
Zuge des U-Bahn-Baus die alten Reste der ehemaligen Katharinenkapelle
unwiederbringlich vernichtet wurden; trotzdem erhebt sich die Frage, ob
durch den Einsatz der geophysikalischen Prospektion, mit deren Hilfe man
Unbekanntes unter der Erdoberfläche ohne Grabungen registrieren und zum Teil
sogar identifizieren kann und die gerade von der österreichischen virtuellen
Archäologie schon mehrfach mit großem Erfolg – zum Beispiel im englischen
Stonehenge – eingesetzt wurde, nicht doch noch ein wichtiger Schritt zur
Aufhellung dieses samt seiner Geheimnisse verschwundenen Wiener Baujuwels
gelingen könnte.
REZITATOR B: Beenden wir unsere Betrachtung im Gedenken an alle jene,
die in der Katharinenkapelle des Minoritenkonvents, der nachmaligen kleinen
Maria-Schnee-Kirche, ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, mit
den Tagesgebeten zum 5. August in Erinnerung an die Weihe der römischen
Basilika Santa Maria Maggiore in Rom sowie zum 25. November, dem Gedenktag
für die heilige Katharina von Alexandrien. Diese wurde nicht nur seit dem 8.
Jh. von der Ostkirche, sondern auch im Westen sehr verehrt als eine der
vierzehn Nothelfer sowie als Patronin zahlreicher Ortschaften und Beistand
für Philosophen, Theologen und Gelehrte, für Lehrer und Studenten, aber auch
für zahlreiche handwerklich Berufstätige:
Barmherziger Gott,
mit unserem eigenen Tun
können wir vor dir nicht bestehen.
Darum höre auf die Fürsprache
der seligen Jungfrau Maria.
Schau nicht auf unser Versagen,
sondern sei uns gnädig und rette uns.
Herr, unser Gott,
du offenbarst uns in der Bedrängnis
die Macht deines Erbarmens.
Von dir empfing die heilige Katharina die Gnade,
das Martyrium zu bestehen.
Von dir komme auch uns die Kraft,
in aller Not auf deine Hilfe zu vertrauen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MUSIK:
Ennio Morricone (1928) – „Gabriel’s Oboe“
1. Erzähler:
Zur Abrundung unseres heutigen Themas sei darauf hingewiesen. dass
kürzlich Herr Dr. Gerhard Schweter über das wahrscheinlich berühmteste
Grabmonument unserer Kirche, nämlich das Renaissance-Epitaph (Bild)
der Freifrau
Magdalena Beck von Leopoldsdorf († 1562), das sich an der Westwand rechts
vom Eingang der Kirche befindet, eine wichtige
Publikation verfasst hat. Im
kommenden Jahr wird der Autor im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“
darüber referieren (Link
zum Text der Lesung), doch schon heute können Sie das Werk auf dem Büchertisch
unseres Gotteshauses bewundern. Dort wird auch unser Kirchenführer
aufliegen, der im Jahre 2012 – versehen mit eindrucksvollen Fotografien – in
drei Sprachen, nämlich deutsch, italienisch und englisch, erschienen ist.
2. Erzähler: Außerdem
möchten wir darauf hinweisen, dass 8 der 10 für unsere vorjährige
Ausstellung „230 Jahre italienische Minoritenkirche“ (Info) angefertigten Plakate
in den Schaufenstern der Hofgänge des Bezirksmuseums Innere Stadt - Altes
Rathaus“ (Eingänge Wipplingerstr. 6/ Stoß im Himmel 2), noch bis zum Sommer
2015 zu sehen sein werden. Die Tafeln präsentieren alle wesentlichen Etappen
des Werdens unserer Kirche von deren Anfängen als Gotteshaus der Minoriten
bis zur Übernahme der Andachtsstätte durch die Italienische Kongregation im
Jahre 1784 und den starken baulichen Veränderungen im ausgehenden 18. Jh.
sowie um 1900. Einen genauen
Lageplan dazu finden Sie auf unserer
Internetseite:
LINK.
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Putto mit Darstellung der umgebauten Kapelle,
Ausschnitt aus dem "Welschen Jahrbuch" (Info)
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Weiterlesen:
Geschichte der Minoritenkirche
u. des Klosters
Übernahme durch die Italienische
Kongregation
Totenmesse für Maria Theresia
Pius VI. in der Katharinenkapelle
Übernahme durch
Joseph II. |
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