Ausstellungseröffnung: 230 Jahre italienische Minoritenkirche im Zeichen der Italienischen Kongregation Einleitungsvortrag zur Eröffnung unserer Jubiläumsausstellung im Bezirksmuseum Innere Stadt am 13.11.2014 |
|
Es
kann als eine bemerkenswerte Tatsache gelten, dass die ‚Italienische
Kongregation’, die Eigentümerin der Minoritenkirche in Wien, zu den ältesten der
hierzulande existierenden Vereine zählt. Der verdiente frühere Rektor der
Minoritenkirche, Don Giovanni Salvadori, welcher von 1876 bis 1897 als „Direttore
Spirituale“ an dem Gotteshaus wirkte und 1900 verstarb, wies in seinem 1894
erschienenen Buch
Die Minoritenkirche und ihre älteste Umgebung - unter Berufung auf den
großen humanistischen Gelehrten Wolfgang Lazius (+ 1565) - darauf hin, dass
bereits im 15. und 16. Jh. ein reger Austausch zwischen Wien und Italien in
Bezug auf Handel, Kunst, Bauwesen und Gewerbe stattfand, der zur Verleihung der
Bürgerrechte an zahlreiche Einwanderer aus dem südlichen Nachbarland führte. Es
kann daher nicht verwundern, dass sich schon bald der Wunsch nach Gründung einer
Vereinigung regte, um mit Landsleuten in engeren Kontakt zu treten und einander
auch Beistand anzubieten. Da kam der Umstand zu Hilfe, dass der Jesuitenpater
Guglielmo Lamormaini (Info), Professor an der Universität Wien und Beichtvater
Kaiser Ferdinands II. - nach dem Vorbild seines Mitbruders Jakob Rem
(Info) aus
Ingolstadt – in einem Oratorium des Jesuitenklosters am Hof eine
marianische Kongregation der Italiener einzurichten beschloss. Die
tatsächliche Gründung der „Congregazione italiana“ erfolgte dann am 5.8.1625,
aber wie sich dem sogenannten Jahr Buch der Wälschen Nationalkirche von
1776 entnehmen lässt, setzten die eigentlichen Aktivitäten der Vereinigung erst
1626 ein. Die überaus straffe und rigide Führung der Kongregation durch die ‚Gesellschaft Jesu’, welche den gesamten Vorstand mit dem Präfekten, zwei Assistenten, vier Räten und einem Sekretär ernannte, und ihn einem jesuitischen „Praesides“ unterstellte, der nur dem Pater Provinzial Rechenschaft schuldete, beschwor jedoch bald eine gefährliche Krise innerhalb der Gemeinschaft herauf, welche fast zum frühzeitigen Ende der Vereinigung geführt hätte; dem kam allerdings die vorübergehende Auflösung des Ordens im Jahre 1773 durch Clemens XIV. zuvor. |
|
|
Diese
päpstliche Entscheidung sicherte zwar den Fortbestand der Kongregation, entriss ihr
allerdings durch die Säkularisierung des Jesuitenklosters ihr bisheriges
religiöses Zuhause. Doch da eröffnete sich der Gemeinschaft eine neue
Zukunftsperspektive:
Weitere große
Veränderungen erfuhr die Kongregation sodann in der Regierungszeit Josephs II.
1783 vereinigte sich die Gemeinschaft mit der 1690 gegründeten italienischen
Hilfsbruderschaft (Info), um deren Aufgabenbereich, armen und kranken Mitgliedern
beizustehen, auch in Zukunft zu gewährleisten; und am 3. Juni 1784 erfolgte mit
kaiserlichem Erlass die Übertragung der großen Minoritenkirche auf die
Italiener (Info), nachdem die Minderbrüder vorher auf Befehl des Monarchen in Kloster
und Kirche der von Joseph II. aufgehobenen Trinitarier in der Alser-Vorstadt
übersiedelt waren. Damals (seit 1774) lenkte die italienische Gemeinschaft mit
großer Umsicht der 1808 verstorbene Präfekt Giovanni Evangelista Milani, sicher
einer der wichtigsten Vorsteher der Vereinigung. Es war für die Congregazione
eine schwierige Zeit, da sie die gesamten Kosten für die Totalrestaurierung des
großen Gotteshauses durch den Hofarchitekten Johann Ferdinand Hetzendorf v. Hohenberg
(Info)
tragen musste, ein Umstand, der sie in Schulden stürzte, die erst 1876
abgetragen waren. |
|
|
Die
letzte große bauliche Veränderung des Gotteshauses, welche in erster Linie durch
die italienische Kongregation angeregt wurde, erfolgte in den Jahren 1892–1906 anlässlich der
Neugestaltung des Minoritenplatzes, die in den Achtziger- und
Neunzigerjahren des 19. Jhs. ihren Anfang nahm und über die der Präfekt Carlo Vanni 1893 den Vorstand der Vereinigung ausführlich informierte. Damals
beschloss die Kongregation an die Wiener Stadtverwaltung mit der Bitte
heranzutreten, durch finanzielle Unterstützung eine würdige Restaurierung der
Kirche zu ermöglichen. Der Auftrag zur Schaffung eines Regulierungsprojektes und
in diesem Zusammenhang auch zur Umgestaltung der Minoritenkirche erging an den
Univ.-Prof. Viktor Luntz (Info), dessen Entwurf zur Neugestaltung des Gotteshauses
erhalten ist. Doch die Verwirklichung der Pläne dieses seinerzeit äußerst
berühmten Architekten wurde vor allem aus finanziellen Gründen und wohl auch auf
Grund des frühen Todes von Luntz (1903) nur mehr teilweise verwirklicht.
Vor
und während des
ersten Weltkriegs bekannte sich die Kongregation klar zum habsburgischen
Österreich. Dies zeigt sich besonders deutlich an der Sondersitzung der „Delegazione“
am ersten Juli 1914, unter dem Vorsitz des Präfekten Vicenzo Vinciguerra,
anlässlich der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin
Gräfin Sophie Chotek, der späteren Herzogin von Hohenberg; nichtsdestoweniger
richtete man aber für alle verwundeten oder kranken Italiener, die sich in Wien
befanden, egal auf welcher Seite sie auch standen, ein „Dispensario Medico“,
also eine Art Ambulanz, ein. Auch sei erwähnt, dass man bereits 1915 und 1917
beschloss, in der Kirche Friedensgebete abzuhalten. |
|
|
Nach Beendigung des ersten Weltkriegs nahmen auch in der italienischen Kongregation - wie überall in Europa - die nationalen, ja nationalistischen Tendenzen spürbar zu. Die Aufnahme von Mitgliedern mit deutscher Muttersprache wurde sehr erschwert, als Predigtsprache in der Kirche galt nur mehr das Italienische, der 1917 zum Präfekten gewählte Vittorio Coglievina, welcher die Congregazione in den schwierigen letzten Jahren des ersten Weltkriegs mit höchstem Einsatz und Elan leitete, wurde 1926 abgewählt, mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem deshalb, weil er keine italienische Staatsbürgerschaft besaß. Allerdings wirkte er in der Funktion des Vizepräfekten weiter bis zu seinem Tode im Jahre 1941, und in einer Gedenkansprache betonte der damalige Präfekt Malfatti nun die „erompente italianità“ des Verstorbenen. Je näher das Ende des zweiten Weltkriegs rückte, desto seltener wurden die Versammlungen der italienischen Kongregation – in den Protokollen nur mehr als „Direzione“ bezeichnet - und desto weniger Soci versammelten sich. So ist es wohl erlaubt, die zweisprachige Einladung des Triestiner „Commissario Straordinario“ und nachmaligen Präfekten Dott. Ottone Grisogono vom 28. Juni 1948 – also drei Jahre nach Kriegsende - zur „Assemblea Generale della Congregazione Italiana presso la Chiesa Nazionale Italiana Maria della Neve“, im deutschen Text: zur „Generalversammlung des Italienischen Kirchenvereins bei der italienischen Nationalkirche „Maria vom Schnee“, als den Neustart einer zu diesem Zeitpunkt bereits 323 jährigen Interessensgemeinschaft zu bezeichnen, die nun – im Jahre 2014 in voller Frische ihren 389. Geburtstag feiert. – Und um noch einen Sprung in die Gegenwart zu machen: Nach einer stürmischen Sitzung wurde am 7. Oktober 2009 ein neuer Vorstand gewählt, der bis heute im Amt ist und der unter der Leitung der Präfektin Frau Daniela Panella Jirout – übrigens die erste Frau an der Spitze der Kongregation – bereits wichtige und beeindruckende Initiativen gesetzt hat. Einige dieser Leistungen wurden ja schon in unserem neuen Kirchenführer (Info) gewürdigt, der im Jahre 2012 erschien und den man natürlich auch im Rahmen dieser Ausstellung erwerben kann. Auf der Liste der Agenda des derzeitigen Vorstandes steht auch die digitale Aufarbeitung wichtiger Dokumente des Archivs, um die ich mich seit Jahren bemühe. Schließlich gilt auch unserem Sekretär für seine rege und engagierte Öffentlichkeitsarbeit herzlicher Dank. |
|
|
Lassen Sie mich nun noch einige Worte über die seelsorgliche Betreuung der Italiener in Wien sagen. Diese lag natürlich bis1773 ganz in jesuitischer Hand mit allen Vor- und Nachteilen für die Kongregation. Nach der Aufhebung des Ordens wurde dem letzten Praesides P. Antonius Miller aus Fiume (Rijeka), der nun als Diözesanpriester wirkte, das Seelsorgeamt übertragen. Über ihn schreibt Giovanni Salvadori, dass er die vergangenen Zeiten nicht vergessen konnte und in der Kongregation „um jeden Preis ... allein das Wort führen“ wollte. In den darauf beginnenden langwierigen Auseinandersetzungen seien viele Unannehmlichkeiten vorgekommen; dennoch gewährten ihm die Vereinsmitglieder – in gewisser Dankbarkeit - bis zu seinem Lebensende im Jahre 1799 eine Pension. In der Folge musste man sich selbständig und immer in Rücksprache mit dem Wiener erzbischöflichen Ordinariat um einen Kirchenrektor, um einen Hilfspriester sowie um einen Fastenprediger kümmern, sehr oft ein äußerst schwieriges Unterfangen, und nicht selten von gegenseitigem Misstrauen geprägt – worüber auch Don Salvadori klagte, obwohl er zweifellos zu den beliebtesten „Spiritual-Direktoren“ zählte. Anlässlich der letzten „Langen Nacht der Kirchen“ haben wir in diesem Zusammenhang an den 1909 heilig gesprochenen Wiener Stadtpatron Clemens Maria Hofbauer (Link) gedacht, der von 1808-1813 als „Assistente Spirituale“ an der Minoritenkirche wirkte. Erwähnenswert ist auch der § 27 der ersten Statuten der Gemeinschaft von 1776 als Ausdruck der bis 1784 andauernden spannungsgeladenen Nachbarschaft von Congregazione und Minoritenkonvent. Hier wird ausdrücklich festgehalten, dass für das Amt des Padre Spirituale jeder Welt- oder Ordensgeistliche wählbar sei, außer ein „padre Minorita“; diese würden nicht in Frage kommen „per evitare ogni turbolenza“. (Bild) Verständlicherweise war man im Laufe der Jahre auf Grund der genannten Schwierigkeiten mehr und mehr bestrebt, eine Konvention mit einem Orden abzuschließen, um auf diese Weise die geistliche Obsorge für die Gläubigen delegieren zu können; so wirkten an der Minoritenkirche ab 1921 die Oblaten des hl. Joseph aus Asti und ab 1924 die Salesianer Don Boscos. Nach dem zweiten Weltkrieg kam im Jahre 1953 P. Giovanni Giuliani als erster Minorit aus Padova nach Wien, und am 1. Dezember 1957 wurde die seelsorgliche Betreuung der italienischen Gemeinde offiziell den franziskanischen Konventualen übertragen. Im Jahre 2003, also zur 50. Wiederkehr der Übernahme dieses Amtes durch den Minderbruderorden, fertigte P. Nazzereno Panieri jene Franziskusstatue an, die sich heute an der N-Seite der Kirche, neben dem barocken Anbau, befindet. Als inzwischen siebenter minoritischer Rektor wirkt derzeit – mit außerordentlichem seelsorglichem Geschick – P.Thomas Manalil. Abschließend lässt sich meines Erachtens feststellen, dass die italienische Kongregation, gemeinsam mit der „Comunità italiana“ an der Wiener Minoritenkirche, durchaus in der Lage ist, einen wichtigen Beitrag für ein gedeihliches Wirken im Geiste christlicher Werte in einem immer mehr zusammenwachsenden Europa zu leisten.
(M. Zips)
|
|
Zum Weiterlesen:
Jubiläums-Lesungen anläßlich der Langen Nacht
der Kirchen 2014: 1/2/3
und 2015: 1/2
Festakt:
230. Jubiläum der Schenkung der ehem.
Minoritenkirche an die Ital. Kongregation:
Bericht
Ausstellungseröffnung: 230 Jahre Italienische
Minoritenkirche, im Zeichen der Italienischen Kongregation:
Bericht