Hl. Klemens Maria Hofbauer,
Gedenkbriefmarke 1970
 

Predigt von P. Dominikus Höfer SJM. in der Wiener Minoritenkirche
Anläßlich der Hl. Messe im überlieferten römischen Ritus am 23. Mai 2014

Am 23. Mai 2014 zelebrierte Pater Höfer der Gemeinschaft Servi Jesu et Mariæ (SJM) unsere nun schon traditionelle Heilige Messe im überlieferten römischen Ritus (außerordentliche Form des röm. Ritus / Missa Tridentina) zur Eröffnung der Langen Nacht der Kirchen.

In diesem Jahr - in dem wir das 230. Jubiläum der Schenkung der ehemaligen Minoritenkirche an die Italienische Kongregation begangen haben - wurde mittels einer Votivmesse auch des heiligen Klemens Maria Hofbauer gedacht, dessen Erhebung zum Patron der Stadt Wien sich heuer zum 100. Male jährt. 

 

Im Folgenden ist P. Höfers Predigt wiedergegeben, die dem Gedenken des großen Heiligen und Stadtpatrons Wiens gewidmet ist.

 


Kanzel der Wiener Minoritenkirche


Pater Höfer SJM.

 

Erst beliebt, dann umstritten, heute vergessen:
Vor hundert Jahren wurde Klemens Maria Hofbauer (zweiter) Wiener Stadtpatron.

 

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Liebe Christen!
 

Bei der Predigtvorbereitung bin ich auf einen Zeitungsartikel aus der PRESSE vom 11. Jänner dieses Jahres gestoßen. Die Artikelschreiberin beginnt mit folgender Begebenheit: „Bei einem Anruf im Büro des Wiener Kulturstadtrats ist die Antwort auf die Frage, was denn im Jubiläumsjahr von Klemens Maria Hofbauer so geplant sei, eine Gegenfrage: Hofbauer – wer?
 

Das sei aber nicht weiter schlimm. Denn so gehe es vermutlich vielen Wienern, die nicht wüssten, dass die Stadt neben dem heiligen Leopold noch einen Patron hat, dessen Ernennung sich heuer zum hundertsten Mal jährt.
 

Die Geschichte des hl. Klemens begann 1751. Und mit einem anderen Namen: Johann Hofbauer war Sohn eines Fleischhauers aus Südmähren, der Bäcker lernte. Erst als Eremit nahm er den Namen Klemens Maria an, bevor er dann sein Theologiestudium in Wien absolvierte. 1785 trat er dem italienischen Redemptoristenorden, dessen Schwerpunkt auf Volksmission, Seelsorge und Armenfürsorge liegt, bei. Rasch wurde er zum Generalvikar aller transalpinen Niederlassungen ernannt. Ab 1788 predigte er in Warschau, gründete Schulen und Waisenheime, Klöster in Süddeutschland und der Schweiz. Erst nach den Wirren der napoleonischen Kriege kehrte er als 57-Jähriger nach Wien zurück.
 

Hier machte er rasch Karriere, war Pfarrer hier in der Minoritenkirche, der italienischen Nationalkirche, dann Rektor der Klosterkirche St. Ursula. Rupert Klieber, katholischer Kirchenhistoriker der Uni Wien, sagt: „Hofbauer hat Anfang des 19. Jahrhunderts ein religiöses Revival bewirkt. Damals war das kirchliche Leben sehr nüchtern. Kaiser Joseph II. hatte die Barockfrömmigkeit verbannt, in der Stadt noch mehr als auf dem Land. Hofbauer hat diese wiederbelebt. Mit seiner Begeisterungsfähigkeit hat er Menschen wieder für den katholischen Glauben gewonnen.
 

In einer Zeit, in der Volksfrömmigkeit, Wallfahrten, Heiligenverehrung und Rituale stark eingeschränkt wurden, Orchestermessen verboten, ja, sogar die Kerzenanzahl in der Kirche limitiert war, hielt Hofbauer traditionelle Messen ab. „Seine Gottesdienste waren immer voll“ – und das, obwohl damals nur zwei Prozent der Wiener in die Kirche gingen.
 

Hofbauer bot in seinen Messen Blumen, Weihrauch und Werke von Mozart auf. Die barocke Pracht gefiel den Wienern. Hofbauer konnte gut predigen – und bekehrte auch Prominente. Er war, wie Biograf Otto Weiß sagt, zwar kein großer Gelehrter, aber pfiffig.
 

Hofbauer war aber auch sozial tätig. Fast täglich trug er Brot und Suppe zu den Armen in die Vorstädte. Als in Warschau einmal das Essen für seine Schutzbefohlenen ausging, klopfte er ans Tabernakel: Herr, hilf, es ist Zeit!
 

Klemens fasste seine Einsichten in dem Satz zusammen: "Das Evangelium muss neu verkündet werden"; er meinte damit sowohl eine erneute Verkündigung wie auch eine neue Weise der Verkündigung.
 

Klemens geht nicht allein ans Werk. Er sucht Mitarbeiter und beschreitet neue Wege der Zusammenarbeit.
 

Über den letzten Lebensabschnitt des hl. Klemens, die Zeit zwischen seiner Vertreibung aus Warschau (1808) und seinem Tod (1820) in Wien, sind verhältnismäßig wenig historische Dokumente erhalten. Klemens wurde in dieser Zeit ständig von der Polizei Metternichs bespitzelt. Kontakte außerhalb Österreichs waren ihm untersagt. So musste er Schriftstücke, die der Polizei verdächtig sein konnten, vernichten. Wahrscheinlich gab es aber auch nicht viel Aufregendes und Außergewöhnliches aus dieser Zeit zu dokumentieren, obwohl dieser Lebensabschnitt die fruchtbarste Zeit seines Wirkens geworden ist.
 

Vermutlich durch die Vermittlung eines alten Freundes findet Hofbauer eine Anstellung als Aushilfspriester hier an der Minoritenkirche, der Wiener Nationalkirche der Italiener. Außer Beichte hören konnte er, der einst die ganze Welt bekehren wollte, nicht viel tun. Hier lebt er von 1809 bis 1813. Nach über 20 Jahren unermüdlicher Aktivität waren ihm plötzlich die Hände gebunden. Manches deutet darauf hin, dass diese Zeit für Klemens eine dunkle Zeit war, in der er selbst den äußeren Zusammenbruch innerlich annehmen lernen musste. Diese vermutlich dunklen Jahre dürften in ihm jedoch eine innere Wandlung bewirkt haben. Sein Lebens- und Arbeitsstil hat sich in dieser Zeit grundlegend geändert.
 

Hofbauer, der zuvor so viel gereist ist, verlässt Wien nicht mehr. Er organisiert nichts mehr, baut nichts mehr auf. Er, der früher so oft für handfesten Wirbel gesorgt hatte, beginnt in der Stille, beinahe im Verborgenen zu wirken.
 

1813 wird er zum Schwesternseelsorger "befördert"; er nimmt die Stellung eines Beichtvaters und Kirchenrektors bei den Ursulinen an. Klemens beschränkt sich natürlich nicht auf die Seelsorge an den Schwestern.
 

"Hofbauer wurde Seelenführer und Lebensberater von Menschen aus allen Berufs- und Gesellschaftsschichten. Zu seinen Beichtkindern gehörten Adlige und Beamte, Gelehrte und Künstler, Bischöfe und Universitätsprofessoren, Reiche und Arme." (Heinzmann 161).
 

Hofbauer geht aber auch zu den Armen. "Besonders die Vorstädte waren die Armenviertel Wiens. Fast täglich ging Hofbauer zu Fuß in diese Elendsquartiere. Unter seinem breiten Mantel trug er Lebensmittel und Kleider, die für seine Stammkunden bestimmt waren. ... Gerade im Kreis seiner Beichtkinder und Freunde organisierte er den stillen Widerstand gegen Armut und Elend. Er selbst war nur einer unter vielen anderen Helfern." (Heinzmann 165).
 

Entgegen allen Vorschriften wurde das ihm anvertraute Kirchlein zu einem seelsorglichen Zentrum. Klemens setzte sich über das Predigtverbot und die Gottesdienstordnung des josephinischen Staates hinweg und hielt feierliche Gottesdienste und eine Vielzahl von Predigten. Obwohl er einen sehr einfachen Predigtstil übte, war der Zulauf übergroß. Menschen aller Gesellschaftsschichten kamen nach St. Ursula, um ihn zu hören.
 

Bemerkenswert ist auch, was sich in seiner kleinen Wohnung abspielte. Sie stand Jugendlichen und Armen stets offen. Sie wurde zu einem Treffpunkt vor allem der Universitätsstudenten. Die jungen Leute freuten sich einfach, bei ihm sein zu können. Die Anziehungskraft ging von seiner Persönlichkeit aus, weniger von dem, was er sagte. Seine Seelsorgsmethode war offenbar einfache herzliche Gastfreundschaft.
 

Es wird wohl für immer ein wenig rätselhaft bleiben, dass die Persönlichkeit Hofbauers auch auf die Wiener Romantiker, einen Kreis bekannter Dichter, Künstler und Wissenschaftler, eine so große Ausstrahlung ausübte. Obwohl er selbst weder Literat noch Künstler und schon gar nicht Wissenschaftler war, wurde er zum Herzen dieses Kreises. Hofbauer dürfte jene natürliche, tief in der Persönlichkeit verwurzelte Religiosität verkörpert haben, weiche die Romantiker nach einer langen Zeit des Rationalismus idealisiert und gesucht haben.
 

Am Ende seines Lebens passiert viel Eigenartiges. Eine ganze Stadt scheint wieder gut machen zu wollen, was man ihm so lange Zeit vorenthalten und angetan hat: In seinem letzten Lebensjahr gelingt ihm, worum er so viele Jahre gerungen hat. Auf persönliche Intervention des Kaisers wird den Redemptoristen in Wien die Kirche Maria am Gestade übergeben und eine Niederlassung gestattet. Bevor jedoch das Zulassungsverfahren abgeschlossen ist, stirbt Klemens am 15. März 1920. Sein Begräbnis wird, obwohl von niemandem organisiert und vorbereitet - der einzige in Wien weilende Mitbruder Martin Stark liegt krank im Bett - zu einer großartigen Anerkennung seines Wirkens in Wien. Ohne vorherige Einladung strömen tausende Menschen aus der ganzen Stadt zusammen, um Klemens Hofbauer den Abschied zu bereiten.
 

1882 erfolgte Hofbauers Selig-, 1909 seine Heiligsprechung. Das erste Ansuchen, ihn zum Wiener Stadtpatron zu erheben, wurde von der Ritenkongregation 1913 abgelehnt. Erst im zweiten Anlauf klappte es: Am 14. Jänner 1914 wurde Hofbauer Stadtpatron Wiens. Allerdings nur zum zweiten.

 

Was können wir für unseren Weg der Suche aus diesem letzten Lebensabschnitt des hl. Klemens herauslesen?

Die Erneuerung, die Klemens mit seiner ganzen Lebenskraft angestrebt hat, kommt erst zum Tragen, wo sie die Menschen in der Tiefe ihres Herzens erfasst hat und von dort her in den Menschen aufbricht. Klemens selbst musste "verwandelt" werden, bevor sein Erneuerungswerk auf andere übergreifen konnte.
 

Erneuerung ist ein Lebensprozess, der aus der eigenen Tiefe aufbricht; der gewollt werden aber nicht gemacht werden kann. Unser Weg der Suche ist zwar ein Weg, den wir gemeinsam gehen, ein gemeinsames Suchen, ein Miteinander-Teilen... Zugleich aber wird diese Erneuerung nur gelingen, wenn sie aus der Tiefe unseres Herzens durch Gottes Gnade aufbricht und wenn wir selbst neue Menschen werden. Darum wollen wir Gott den Herrn auf die Fürsprache des hl. Klemens bitten.

 

Amen.

Lesung zum Klemensjahr 2014