Der heilige Philippus
Westportal der Minoritenkirche

Wenn Weihnachten erst zu Ostern beginnt:
Aus dem Leben des Apostels Philippus

Einer der sympathischsten Begleiter Jesu ist sicherlich der Apostel Philippus, über den der Evangelist Johannes in geradezu liebevoller Weise erzählt.
Im ersten Kapitel seines Evangelienberichtes erfahren wir, dass Jesus auf seinem Weg nach Galiläa Philippus traf und diesen aufforderte, ihm zu folgen. Bei dieser Gelegenheit teilt übrigens Johannes seinen Lesern mit, dass Philippus – ebenso wie die Apostel Andreas und Petrus – aus Betsaida am See Genezareth, dem tiefstgelegenen Süßwassersee der Erde, stammte. - Nach dieser Begegnung geht nun Philippus sofort zu seinem Freund Natanaël – dem späteren Apostel Bartholomäus - und berichtet ihm, dass er vielleicht jenen Mann getroffen habe, über den einstens Mose und die Propheten schrieben, nämlich Jesus aus Nazaret. Skeptisch antwortet der Freund: Kann denn von dort etwas Gutes kommen? Und Philippus gibt die einzig richtige Antwort: Schau ihn dir doch einfach an. Zu zweit gehen sie zu Jesus und tatsächlich fühlen sie sich sogleich von dessen Wesensart so sehr angesprochen, dass sie beschließen, diesem zu folgen. Mehrfach bemüht sich nun Jesus – ohne scheinbar wirklichen Erfolg – Philippus auf seine künftige Aufgabe als Apostel, also als Sendboten Gottes, vorzubereiten: Er fragt ihn, wie man die vielen Menschen speisen könne, die ihnen gefolgt sind, und Philippus sagt nicht: „Herr, du wirst sicherlich einen Ausweg finden“, sondern er besinnt sich nur resignierend auf die wenigen Denare, welche die Jünger Jesu bei sich haben und die natürlich nie und nimmer ausreichen können, alle Anwesenden zu sättigen; als Christus kurz vor seinem Leidensweg seinen Jüngern vom Vater erzählt, und Philippus in aller Naivität sein mangelndes Verständnis beteuert, reißt Jesus allerdings der Geduldsfaden: „Philippus, so lange bin ich schon bei euch und du forderst mich auf, euch den Vater zu zeigen? Glaubt doch endlich, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist, wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund meiner Werke!“ Und doch erweist sich Philippus – trotz all seiner naiven Kurzsichtigkeit und Unsicherheit - als Apostel: Als ihn einmal einige nichtjüdische Gottesfürchtige bitten, ihnen Jesus zu zeigen, kommt er – allerdings nur gemeinsam mit Andreas - diesem Wunsche nach und erfüllt so deren dringendes Begehren, den berühmten Propheten aus Nazaret kennenzulernen.































 

Philippus wird in der Gegenwart Christi in der Regel als junger Mann dargestellt, so wie es etwa Leonardo da Vinci in seinem Bild vom „Letzten Abendmahl“ getan hat. Auch hier begegnet uns der Apostel - mehr als die übrigen Gefährten - in all seiner Ängstlichkeit, der sich auf die Feststellung Jesu hin „Einer von euch wird mich verraten“ an die Brust greift, als wolle er sagen: „Bin ich es, Herr?“ - Weihnachten beginnt für Philippus ganz offensichtlich erst mit dem Leidensweg des Herrn. Erst in Anbetracht von Christi Tod und Auferstehung stimmt er in den weihnachtlichen Jubel der Engel ein: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade!“ und mit dem greisen Simeon spricht er die Worte: „… meine Augen haben das Heil gesehen, das Du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet“.

Philippus ist nach der Beschreibung des Johannes ein Mensch, der zwar nicht alles versteht, was um ihn herum vor sich geht, der aber doch von der Erscheinung Jesu so fasziniert ist, dass er diesem nachfolgt. Erst in seinem späteren Leben wird er - so weiß es die Legende – zum unerschrockenen Verkünder der Botschaft Christi. Er soll 20 Jahre lang im antiken Skythien, dem heutigen südrussischen Gebiet um das Schwarze Meer, gepredigt haben. Einmal geschah es – so lesen wir in der Überlieferung -, dass ihn die aufgebrachte Menge wegen seines Zeugnisses für Jesus Christus, im Beisein des Landesherrn, erschlagen wollte. Doch plötzlich erschien ein riesiger Drache, der den König mit all seinem Gefolge tötete und die herbeigeeilten Soldaten durch seinen giftigen Atem vertrieb. Darauf wagte niemand mehr, sich dem Untier entgegenzustellen; doch die Menschen riefen in ihrer Angst: „Philippus, Mann Gottes, rette uns! Wir wollen an deinen Gott glauben, wenn du uns beistehst!“. Da fiel Philippus auf seine Knie und betete: „Vater unseres Herrn Jesus Christus, du weißt, dass ich lange Zeit deinem Sohn mit großer Skepsis begegnet bin und dass ich große Schwierigkeiten hatte, seine Botschaft anzunehmen. Du weißt aber auch von meiner tiefen Erschütterung, die sein Tod in mir auslöste und welches Glück ich verspürte, als der Auferstandene vor uns stand und uns seine Wunden zeigte. Auch ich gehörte – wie Thomas – zu denen, die erst glaubten als sie sahen. Mache mich zu einem Werkzeug für jene, die du selig gepriesen hast, weil sie nicht sehen und doch glauben!

Natürlich berichtet die Legende, dass Philippus den Drachen überwand und den König sowie sein Gefolge zu neuem Leben erweckte, und dass er viele Bewohner des Landes durch seinen Glauben sowie durch sein Zeugnis, ebenso wie durch sein Wissen bekehren konnte. Andere Quellen berichten allerdings auch, dass der Apostel – wie sein Meister – am Kreuz gestorben sei. Tatsache ist aber, dass der gealterte Philippus sehr häufig mit Kreuz und Buch abgebildet ist, so etwa am Westportal der Wiener Minoritenkirche, das ja zu den schönsten gotischen Kunstwerken unserer Stadt gehört.

Dr. Manfred Zips


Der heilige Philippus
Abendmahl-Mosaik der Minoritenkirche