Predigt von P. Volk SJM. in der Wiener Minoritenkirche
Anlässlich der Hl. Messe im überlieferten römischen Ritus am 1. Juni 2012

Am 1. Juni 2012 wurde, anlässlich der Langen Nacht der Kirchen 2012, erstmals seit rund 40 Jahren eine Hl. Messe im überlieferten römischen Ritus (außerordentliche Form des römischen Ritus) in der Wiener Minoritenkirche zelebriert.

Das lateinische Hochamt am Quatember-Freitag der Pfingst-Oktav wurde von P. Volk SJM (Servi Jesu et Mariae) gefeiert und durch vier Ministranten assistiert.
Im folgenden ist die von Pater Volk auf der Kanzel der Minoritenkirche in freier Rede gehaltene Predigt in (freier) Transkription wiedergegeben:

 


Hl. Geist
Gian Lorenzo Bernini, St. Peter Vatikan


Kanzel der Wiener Minoritenkirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.

Geliebte Brüder und Schwestern im Herrn, - nur damit Sie, die vielleicht nicht so vertraut sind mit dem überlieferten Ritus, die Farbe des heutigen Tages verstehen - heute ist ja rot, deswegen ist rot, weil es in der alten Form nicht nur den Pfingstsonntag und Pfingstmontag gibt, wie in den deutschsprachigen Ländern überhaupt, der Pfingstmontag, sondern es gibt noch eine ganze Oktav, wo das hl. Pfingstfest begangen und gefeiert wird, wo eben betrachtet wird, auch in den Texten, über die Wirksamkeit des hl. Geistes, - bis zum morgigen Pfingstsamstag.

Um die Hl. Messe im überlieferten Ritus etwas näher zu beleuchten, und Verständnis dazu zu erwecken, hab ich mir gedacht, nehm ich mal die Botschaft unseres hl. Vaters, Papst Benedikts, her, die er, anläßlich des Welttags des sozialen Kommunikationsmittel, der Kirche geschenkt hat.
Und zwar finde ich, dass er dieses Jahr ein Thema angesprochen hat, das sehr gut auch auf das Geschehen der heiligen Messe anwendbar ist und wo gleichzeitig auch sichtbar wird, daß eben Dinge die in der Welt wirken, die eben in der Welt gelten, auch eben im Sinne der sozialen Kommunikationsmittel, bzw. - wir würden heute sagen der “Massenmedien” -, das die auch angewandt werden müssen, eben, auf dieses heilige Geschehen. Natürlich in einer ganz anderen, etwas vertiefteren Form.

Der hl. Vater nimmt für dieses Jahr, mit diesem Tag, das Thema her “das Wort und die Stille”. Wir können vielleicht auch besser sagen “das gesprochene Wort und die Stille.” Und er deutet es so, daß es notwendig ist, daß wir um die Stille wissen, daß wir um die Stille ringen, und daß wir immer wieder auch die Stille suchen, und um die Stille uns bemühen. Da wir sonst einen wichtigen Aspekt, auch der menschlichen Kommunikation, außer acht lassen und eigentlich die menschliche Kommunikation verarmt. Daß wir uns eigentlich nicht in der Tiefe wirklich verstehen.
Es ist, glaube ich, sehr wichtig, diesen Aspekt zu bedenken, überhaupt im Umgang, natürlich heutzutage, da wir ja überflutet werden von Reizen, sei es von geschriebenem Text, sie es über das Internet, oder sei es auch über das Ohr, über das Hören, auch eine Flut von Reizen kommt uns da her, und natürlich auch, was die Visuelle Dinge betrifft.
Da braucht es eben das Schweigen, die Stille
.

Und wenn wir mal uns überlegen, was der eigentliche, vielleicht spürbare Unterschied ist, zwischen einer Messe wie sie in unseren Tagen gefeiert wird, nach der neu geordneten Form und nach dem überlieferten Ritus, würden wir vielleicht zu Anfang sagen, das ist das Latein.
Aber das Latein, wenn man näher betrachtet, können wir auch in der neuen Form ohne Weiteres, jeder Priester kann ohne besondere Erlaubnis Latein nehmen. Das ist eigentlich gar nicht das Kriterium.
Ein weiteres ist aber eben grade diese Stille, die gerade dann eintritt und besonders deutlich wird, wenn der Priester das Höchste und das Wichtigste der hl. Messe begeht, nämlich das Hochgebet mit der Wandlung. Nach dem Sanctus, nach dem “Heilig” ist es auf einmal ganz still in der Kirche.
 
Das ist vielleicht das Ungewohnteste.
- Was mach ich mit dieser Stille? Was fang ich damit an?

Einmal bin ich, irgendwo, auf mich selbst gestellt. Und da ist dieser Punkt, wo es wirklich darauf ankommt, mit dieser Stille etwas anzufangen. - Und viele sehen heute diese Stille auch als etwas, was zu fliehen ist.
Man sieht ja heute kaum jemanden mehr irgendwo, vielleicht für sich, einfach so gehen, sondern man hat vielleicht einen Walkman auf, oder man ist mit anderen Dingen [beschäftigt], auch im Zug, wenn man sieht, kein Mensch ist irgendwo ein bißchen mit sich selbst, einfach sitzend mit sich beschäftigt und macht sich Gedanken über etwas. Sondern oft ist es so, daß man sich berieseln läßt. Daß man Input, Input, Input hinein nimmt ohne diese Dinge auch wirklich zu verarbeiten, [verarbeiten] zu können. Und wenn dann mal Stille eintritt, dann ist auf einmal ein Leere da, eine Hilflosigkeit, ein "ich weiß nicht was ich jetzt tun soll".

Und gerade diesen Aspekt der Stille, der gefüllten Stille, des beredten Schweigens, den müssen wir aufs neue lernen.
Und zwar nicht nur, wenn wir eben die Messe in der überlieferten Form, im römischen Ritus feiern, sondern eben auch in der alltäglichen Messe. Auch da heißt es zumindest grundsätzlich in der allgemeinen Einführung des Meßbuches, daß die Stille auch einen wichtigen Punkt spielen soll. Aber, wo ist es heute noch der Fall? Eigentlich recht selten, recht wenig.
Und deswegen schauen wir, daß wir diese Stille wieder gewinnen, den Wert der Stille, die Kostbarkeit der Stille.
- Und wenn eben bei der hl. Messe oder sei es auch sonst so, wenn in meinem Inneren auf einmal eine Monotonie oder eine Langeweile auftaucht ist es eigentlich nicht anzurechnen, - sozusagen -, der Hl. Messe oder der Stille, sondern [ist] offenbar eigentlich nur eine gewisse Leere in meinem Inneren, die gefüllt werden muß. Eben wie ich schon sagte, eine gewisse Hilflosigkeit mit dieser Stille umzugehen.

Der hl. Vater führt weiter aus in seiner Botschaft auf dem Welttag, daß eben allein die Stille schon eben notwendig ist um zu sondieren, um diesen ganzen Wust von Informationen zu bewerten, abzuwägen, das Wichtige vom Weniger-Wichtigen zu unterscheiden und deswegen auch das was wichtig ist, mehr Zeit zu widmen und das was weniger wichtig ist und was mich eigentlich von den wichtigen Dingen abhält, von mir zu weisen.
Das ist auch eine wichtige Grundlage unseres  Lebens überhaupt, gerade in der heutigen Zeit in dieser Flut von Reizen, wie ich schon sagte.

Wenn wir da keine Bewertung vornehmen, werden wir hilflos. Eilen wir oder hetzen wir von einer Sache zu anderen, ohne vielleicht die wichtigsten Dinge zu beachten, weil viele wichtige Dinge still sind, verborgen sind.

Das geht auch mit der menschlichen Kommunikation, in der Partnerschaft.
Ich hab vielleicht gar keinen Sinn mehr dafür, kein Gespür mehr dafür, daß der andere mich auch einmal braucht, weil er still ist, weil er nicht aufmuckt, weil er nichts sagt. Und deswegen müssen wir diese Stille wieder lernen und eben die Kommunikationsmittel, die auch außerhalb der Sprache wirken.

Da ist auch die Liturgie ja ganz besonders hervorragend, wir müssen eben wieder lernen was es bedeutet, die Kniebeuge, was es bedeutet die Verneigung im Namen Jesu, was die vielen Kreuzzeichen, die Küsse, oder auch dieser mehrfache, immer wiederholende Ruf des "dominus vobiscum", den der Priester zur Gemeinde spricht, was es bedeutet, und die Antwort des Volkes "et cum spiritu tuo" (und mit deinem Geiste).

Diese Dinge sind eben auszuloten, aber wir können diese Dinge nur ausloten wenn wir meditativ darüber nachdenken, wen wir uns dafür Zeit nehmen. Und das ist eben eng verbunden auch mit der Stille, mit dem Schweigen, mit dem Aushalten des Schweigens auch.
Das ist manchmal gar nicht so einfach. Aber um so wichtiger ist es grade bei den Dingen, die mit dem Göttlichen zu tun hat, daß ich mich loslasse, daß ich mich mal von der Welt, von weltlichen Umtrieben, nicht von der Welt, sozusagen, daß ich mich jetzt ganz abkapsle von der Menschheit oder so, - das ist nicht in dem Sinne gemeint -, sondern von den Umtrieben, von den Dingen, wo mir so viele Gedanken kommen, hier und da, daß ich mich da mal befreie und daß ich meine Freiheit im Ewigen suche und mich ganz öffne für die Ewigkeit.

Also wollen wir versuchen, diese Dimension unseres Menschseins auch wieder zu gewinnen. Und das ist eben, da will uns die Liturgie, auch grade in der alten Form, will uns das lehren, will uns darauf hin drängen, daß wir das wieder wahrnehmen.

Und so viele schreien heute gerade wenn es uns schlecht geht oder wenn große Unglücke geschehen, gerade danach, daß Gott nicht eingreift, daß Gott schweigt. Und es stimmt, Gott schweigt, aber dieses Schweigen ist kein ablehnendes, ignorierendes Schweigen. Sondern dieses Schweigen will auch vernommen werden.

Kann mich noch erinnern an meinen Deutschunterricht in der Schule, da kam auch mal die Lehrerin herein und wollte wissen, ihre Autorität geltend machend, und sagte, 'seid mal ruhig ich möchte die Stille hören'. Und natürlich als jugendliche, als Kinder, denkt man, 'was will se denn jetzt' und man lacht eher darüber, aber mit der Zeit muß ich sagen, hab ich diesem Satz tatsächlich etwas abgewinnen können, weil man eben tatsächlich, wenn man zur Ruhe kommt, zur Stille kommt, ganz andere Qualitäten entdeckt, in der Welt und im eigenen Leben.
Und das kann ich eben versprechen, daß wenn Sie sich um die Stille bemühen und zwar um eine, wenn ich sagen darf, eine liebende Aufmerksamkeit in der Stille, - das ist es ja, die Stille ist ja nicht monoton -. Die Stille und das Schweigen ist nicht etwas Starres, etwas rein Passives, sondern ein auch auf Gott hin ausgerichtetes Hören. Und diese inneren Tätigkeiten, das meint auch das Konzil, wenn es von der Participatio actuosa spricht, die aktive Teilnahme heißt nicht in dem Sinne aktiv, daß jeder was tun müßte, sondern daß jeder mit liebender Aufmerksamkeit dem heiligen Geschehen folgt, das am Altar stattfindet und innerlich mitwirkt und innerlich dabei Sein. - Das war eigentlich das eigentliche Anliegen der Konzilsväter, als sie in der Liturgiekonstitution diesen Terminus prägten, Participatio actuosa.

Und wie gesagt, ich verspreche Ihnen, wenn sie sich darum bemühen, um diese liebende Aufmerksamkeit hier in der heiligen Messe, um ein Schweigen, das gefüllt wird von meinem Herzen, das spricht von meinem Herzen zu Gott, dann wird man nicht nur die heilige Messe tiefer verstehen, sondern man wird einen großen Zugang, einen neuen Zugang, einen fruchtbaren Zugang zu Gott finden, zu den anderen Menschen finden und dann wird man auch ganz neu die Kostbarkeit des eigenen Lebens entdecken, Amen

Im Namen des Vaters des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.